Bild nicht mehr verfügbar.

Mehr als 60 Prozent der Hilfesuchenden bei der Telefonseelsorge leben alleine, sind weiblich und über 40 Jahre alt.
Foto: APA/EPA/Zuo Xiaoming

Wien - "Einsam sein, ist ein Tabu", meint Marlies Matejka, Leiterin der Telefonseelsorge in Wien. 30.000 Gespräche führen ihre MitarbeiterInnen jährlich alleine in der Bundeshauptstadt. Österreichweit sind es über 100.000 Telefonate. Zwei Drittel der AnruferInnen sind Frauen. "Männer rufen erst dann an, wenn es wirklich brennt, oder wenn sie betrunken sind", so Matejka.

Aus dem sozialen Netz gefallen

Mehr als 60 Prozent der Hilfesuchenden leben alleine. "Ich hatte einmal eine Frau am Hörer, die mich aus einem Park anrief, damit die Leute sehen, dass sie telefoniert und nicht alleine da sitzt", erzählt die Sozialarbeiterin. Die Themen, die die AnruferInnen beschäftigen sind vielfältig, Einsamkeit spielt aber eine große Rolle.

Das soziale Milieu der AnruferInnenklientel ist völlig unterschiedlich. Die Mehrheit seien sicher nicht hochgebildete Leute, aber auch Bildung schütze nicht davor, aus dem sozialen Netz zu fallen. Vom Arbeitslosen, der verzweifelt ist und dem das soziale Umfeld fehlt, bis hin zur Ärztin kommt jeder einmal in die Situation, wo er Hilfe braucht.

Reden und Nein sagen

Auch Menschen mit Suizidgedanken wählen die Nummer der Telefonseelsorge. "Solche Fälle gibt es nicht allzu oft, aber doch. Ich hatte einen Anrufer, der mir sagte, ich sei jetzt die Letzte mit der er spreche, dann macht er Schluss", erzählte Matejka. In so einem Fall nütze es nichts, dem Menschen sein Vorhaben auszureden. "Ich hab ihm dann gesagt, dass ich ihn nicht abhalten kann, aber dass er uns vielleicht noch eine Chance geben solle."

Jedes Gespräch ist außergewöhnlich. "Mich hat einmal eine Frau gebeten, dass ich für sie beten soll, reden wollte sie aber nicht. Sie hat es mir regelrecht befohlen. Daraufhin hab ich ihr gesagt, dass ich es nicht tun will, dann war Stille. Plötzlich sagte sie 'Das geht? Man kann Nein sagen?'. Gemeinsam hab ich mir dann mit ihr überlegt, wann sie Nein sagen kann", so die Leiterin der Wiener Telefonseelsorge.

Eine andere Frau hat angerufen und erzählt, dass sie an ihrem furchtbaren Übergewicht leide und sich nicht mehr auf die Straße traue. Die 140 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen der Telefonseelsorge verstehen sich als "Mutmacher". "Wir müssen aber aufpassen und Grenzen setzen. Manche hätten uns gerne als ihre Freunde, viele sind so verletzt, dass wir wie ein Halt für sie sind", sagte Matejka.

Meiste AnruferInnen weiblich und über 40

Für einige sei das aber gar nicht gesund, wenn sie dauernd anrufen. "Wir müssen ihnen dann erklären, dass das hier ein Notruf ist und wir keine richtigen Freunde sind", sagte die Leiterin der Wiener Telefonseelsorge.

Die Anrufe haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Die meisten AnruferInnen sind zwischen 40 und 59 Jahre alt. Jeder fünfte Hilfesuchende gehört der Altersgruppe 20 bis 39 an.

Die große Mehrheit der AnruferInnen ist weiblich. "Männer sind in solchen Dingen eher kontaktscheu. Sie rufen erst an, wenn sie betrunken sind oder bei Beziehungsgeschichten, wenn es um Kränkung geht", weiß Matejka. Seit vielen Jahren ist die Zeit von 16.00 bis 22.00 Uhr die Tageszeit mit den meisten Anrufen. (APA)