Die Moskauerin Irina Druzhinina an der TU Wien schließt eine Rückkehr nach Russland aus.
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Bereits mit neun Jahren trat Irina Druzhinina dem Club Junger Naturalisten an der Moskauer Uni bei und fasste dort den Entschluss, sich im Studium mit Schimmelpilzen auseinanderzusetzen. Heute spürt sie sie auf.

Mit ihrer Arbeitsgruppe Fungal Evolution and Biodiversity an der Technischen Universität Wien legte sie zum Beispiel einen DNA-Barcode für Pilze vor: "Wir haben ein Set von bioinformatischen Tools entwickelt, die mit einem Klick die Identifikation von Arten, basierend auf einem DNA-Fragment, erlauben", sagt die Forscherin, die diese Methode auch auf andere Gattungen ausweiten möchte.

Traditionelle Pilzsystematik war sehr fehleranfällig, weil man sich auf wenige Charakteristika berief. Ganz anders ist das in der Gegenwart. "Heutzutage gibt es keine Systematik mehr ohne Genetik", betont die Forscherin. Neue Methoden seien bei der schnellen und verlässlichen Identifizierung von Landwirtschaftsschädlingen oder Krankheitserregern absolut unerlässlich.

Die 33-jährige widmet sich der weltweit vorkommenden Schimmelpilzgattung Trichoderma in weltweiten wissenschaftlichen Netzwerken. Diese Arten sind industriell zur Herstellung von Enzymen im Einsatz und werden im biologischen Pflanzenschutz eingesetzt, weil sie Parasiten auf anderen Pilzen sind.

Diese Technologie ist in Entwicklungsländern weitverbreitet. In der Forschungsabteilung Gentechnik und Angewandte Biochemie arbeitet Irina Druzhinina an einem Screening für die am besten geeigneten, jeweils einheimischen Stämme von Trichoderma, um Kaffee in Äthiopien, Kakao an der Elfenbeinküste und Bananenplantagen in Brasilien zu schützen.

Ebenfalls in Entwicklung sind molekulare Marker zur Charakterisierung zweier Arten, die auf Austernpilzfarmen in Ungarn, Italien und Rumänien Probleme machen. Vor kurzem in Pflanzengewebe nachgewiesene Trichoderma-Stämme liefern wichtiges Material zum Verständnis der Evolution der gesamten Gattung - was Irina Druzhininas wissenschaftliches Hauptinteresse ist.

In Wien landete sie eher zufällig, weil in Russland zu der Zeit die Möglichkeiten für moderne Wissenschaft nicht gegeben waren. Heute wäre eine Rückkehr aufgrund der "KGB-artigen politischen Verhältnisse" für sie untragbar. In ihrem Umfeld wird so gut Englisch gesprochen, dass mangelhafte Deutschkenntnisse ihre berufliche Weiterentwicklung und soziale Integration nie behindert haben. Das Schöne am Forschen ist, dass man "diesen Beruf nicht komplett beherrschen kann, also immer dazulernt", findet Irina Druzhinina.

Mit ihrem Mann teilt sie nicht nur den Geburtsort, sondern auch den Arbeitsplatz und eine ausgeprägte Vorliebe für den Tiergarten in Schönbrunn. Vor wenigen Monaten kam ihr gemeinsamer Sohn auf die Welt. Derzeit pflegt sie also den Austausch mit ihrer Arbeitsgruppe von zu Hause und schreibt Papers. Wenn sie freie Zeit hat, liest sie englische und russische Literatur des 19. Jahrhunderts, widmet sich einem privaten Dschungel, einer Katze und gleich mehreren Vögeln. Gerne sähe sie sich noch als Feldbiologin, aber zu Expeditionen hat sie aufgrund ihrer zeitintensiven Arbeit an der Technischen Universität kaum noch Gelegenheit. Als Schwammerlsucherin eignet sie sich nicht, sagt sie. Der Grund? Sie hat Interesse für alle Pilze und vergisst dabei, die essbaren ganz gezielt zu suchen. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe 20.02.2008)