Frankfurt/Main - Der Vorstand der deutschen Commerzbank hat erneut die immer wieder aufflammenden Gerüchte über eine Fusion mit der Münchner HypoVereinsbank (HVB), Mutter der Bank Austria Creditanstalt (BA-CA), dementiert. "Derartige populistische Forderungen sind unter den gegenwärtigen Umständen wenig realistisch", sagte Vorstandssprecher Klaus-Peter Müller am Mittwoch in Frankfurt. "Wir führen keine Gespräche mit der HypoVereinsbank", betonte er mit Nachdruck. Sein Haus werde - "nach einem Jahr des Schreckens" - 2003 aus eigener Kraft in die Gewinnzone zurückkehren.

Erster Verlust seit 20 Jahren

Nachdem die Commerzbank zum ersten Mal seit 20 Jahren wieder einen Konzernverlust von 372 Mio. Euro vor Steuern ausweisen musste, will Müller allerdings keine Prognose über den für heuer erwarteten Gewinn machen. "Nach den Erfahrungen aus dem letzten Jahr wäre schon das Nennen einer größeren Bandbreite für den Gewinn unseriös." Falls nicht die gesamte Wirtschaft kollabiere und die Risiken völlig aus dem Ruder liefen, werde man die Trendwende sicher schaffen. Neben der weltweiten Insolvenzwelle erfasste die Commerzbank 2002 auch der Absturz der Aktienkurse. "Das hätten wir uns auch albtraumartig vor zwölf Monaten noch nicht vorstellen können", bilanzierte Müller das nach seinen Aussagen schlimmste Bankenjahr seit 50 Jahren.

Wertberichtigungen

Allein die Wertberichtigungen auf faule Kredite schlugen nochmals mit 1,32 (Vorjahr 0,93) Mrd. Euro zu Buche. Dabei hat die Nummer vier unter Deutschlands Großbanken "noch Glück im Unglück" gehabt. Rechtzeitig habe man die Engagements bei der Deutschen Telekom und späteren Großpleiten wie Enron und Sabena drastisch zurückgefahren. "Wir haben unsere Risiken im Griff", wie der Commerzbank-Chef betonte. Für 2003 rechnet Vorstand Axel von Ruedorfer mit einer zum Vorjahr etwas geringeren Risikovorsorge von rund 1,25 Mrd. Euro.

Verkäufe

Die Schreckensbilanz der Commerzbank mit Abschreibungen von alleine 506 Mio. Euro auf das T-Online-Aktienpaket wäre ohne Verkäufe 2002 noch schlimmer ausgefallen. Der Verkauf der Hypothekentochter Rheinhyp brachte 720 Mio. Euro steuerfrei in die Kasse, die Veräußerung von 3,9 Prozent am französischen Credit Lyonnais nochmals 386 Mio. Euro.

Zu den "Lichtblicken" im vergangenen Jahr zählte Müller die Reduzierung der Verwaltungskosten um 700 Mio. Euro auf 5,15 Mrd. Euro. Allerdings schlägt das Personalabbauprogramm von zunächst 4.300 Stellen in den Sanierungsaufwendungen mit weiteren 209 (282) Mio. Euro zu Buche. Über zusätzliche Stellenstreichungen - im Gespräch sind 2.000 bis 3.000 Arbeitsplätze - wollte Müller keine Aussage machen. Darüber werde erst im März entschieden. Sicher ist bereits der Abbau von "mindestens 425 Mitarbeitern" im Investmentbanking an den Standorten New York, Tokio und Singapur.

Unter dem Strich steht im Konzernabschluss ein Jahresfehlbetrag von 298 Mio. Euro, 2001 wurde ein Reingewinn von 102 Mio. Euro erzielt. Allein im Schlussquartal 2002 wurde die Gewinn- und Verlustrechnung mit einem Minus von 417 Mio. Euro belastet. Trotz des Verlustes soll den rund 360.000 Commerzbank-Aktionären eine Mini-Dividende von 10 (Vorjahr: 40) Cent je Anteil ausgeschüttet werden.

"Beschämende Indiskretionen"

Das erneute Durchsickern der Geschäftszahlen bereits zum Wochenbeginn bezeichnete Müller als "beschämende Indiskretionen" und "Riesensauerei". Bereits zum dritten Mal in Folge waren Zahlen der Bank vor der offiziellen Veröffentlichung unbestätigt im Markt kursiert. Diese Informationen stammten wahrscheinlich aus der Bank und von demselben Mitarbeiter. Mit aller Härte wolle man nun das Informationsloch ermitteln. Auch die Bonner Finanzaufsicht BAFin hat sich bereits eingeschaltet, um Verstöße gegen die Mitteilungspflicht wichtiger Geschäftszahlen zu prüfen. (APA/dpa/Reuters/AP)