Wir hatten Sie eingeladen, Fragen rund um das Thema Ski an unsere Expertin Nicola Werdenigg zu schicken. Nun können wir mit - hoffentlich - befriedigenden Antworten aufwarten.


  • BERNHARD FRIEDL: Seit einigen Jahren wird das Material immer widerstandsfähiger, effizienter. Die Körper der Frauen und Männer scheinen oft schon überfordert zu sein. Immer öfter wird ein schwerer Sturz dadurch eingeleitet, daß die Ski ihrer Taillierung folgen, "abbiegen", und dadurch schwere Knieverletzungen verursachen. Wie lange kann ein - trainierter - menschlicher Körper den Belastungen noch standhalten? Und wäre es nicht an der Zeit, ähnlich wie im Motorsport, die Materialentwicklung einzubremsen? Ist ein Verbot der Taillierung bei Hochgeschwindigkeitsbewerben möglich? Aufgrund der hohen Kurvengeschwindigkeiten werden immer größere Sturzzonen notwendig. Irgendwann ist jedoch Schluß - es sei denn, es wird ein Wald abgeholzt, um eine Rennpiste zu ermöglichen.

    Welche Meinung haben Sie zu den Themen Materialentwicklung, erhöhte Verletzungsgefahr etc.

    NICOLA: Gottseidank hat sich beim Material in den letzten Jahren sehr viel getan, doch die Entwicklung ist eher in Richtung „Bedienerfreundlichkeit“ als Risikoerhöhung gegangen. Zahlreiche medizinische wie biomechanische Untersuchungen und Gutachten belegen das. Für mehr Sicherheit im Breitensport sprechen kürzere Skilängen und erhöhte Kontrollierbarkeit der Skis durch die Steuereigenschaften der Carvingtechnologie. Tatsächlich hat sich die Verletzungshäufigkeit nicht erhöht, es ist jedoch eine Veränderung der Verletzungsmuster aufgetreten. Ähnliche Verschiebungen passieren immer wieder, zum Beispiel zählten bis in die sechziger Jahre Knöchelverletzungen zu den häufigsten Folgen von Skiunfällen, mit Einführung von Kunststoffschnallenschuhen, die dem Sprunggelenk mehr Halt bieten, hat sich der Verletzungsschwerpunkt auf das Kniegelenk verlagert. In den heurigen Weihnachtsferien wurden Arztpraxen in Wintersportorten häufig von Patienten mit Rissquetschwunden aufgesucht, häufigste Ursache: Kollisionen wegen überfüllter und vereister Pisten aus Schneemangel. Bei richtiger Skiwahl (Durchschnittsfahrer waren noch nie gut beraten wenn ihre Auswahl auf Rennskis fiel) kann man also durchaus von einer positiven Entwicklung sprechen.

    Auch im Rennlauf treten veränderte Sturzursachen auf, so ist der fatale „klassische Innenskifehler“ durch Verschneiden auf der Innenkante kaum mehr möglich, an seine Stelle ist das „Boot Out“, das Abrutschen im Schnee am Skischuh getreten. Generell muss zu Carvingskis gesagt werden, dass sie zwar sensibler auf Inputs reagieren, doch auch noch Korrekturen zulassen, die sonst nicht möglich wären. Auch der Rennlauf steht hier erst am Beginn einer Entwicklung, man darf gespannt in die Zukunft blicken, wenn Läufer, die bereits im Kindesalter mit Carvingskis unterwegs waren, in das Rampenlicht des Weltcups treten. Einen Vorgeschmack bieten uns hier bereits einige der ganz jungen Mädchen.

    Die Materialentwicklung für Speeddisziplinen ist mehr als nur etwas „eingebremst“, nämlich strikt reglementiert. Die FIS schreibt sowohl Mindestlänge als auch Mindestradius vor, im Abfahrtslauf ist dieser bei Damen und Herren auf 40m festgelegt, das kommt einem Verbot der Taillierung ziemlich nahe.

    Der Abholzung von Wäldern zugunsten von Rennpisten stehe ich skeptisch gegenüber, auf Grund des wachsenden Schneemangels werden sich aber wahrscheinlich die Austragungsorte ohnehin über die Baumgrenze verlagern (perfekt wie in St. Moritz).

  • WOLFGANG STEINBACH: Belasten Rennläufer beim Carving nun beide Ski, oder doch eher den Talski? Und welche Rolle spielt die Höhe der Bindungsplatten beim Carving?

    NICOLA: Generell ist eine gleichmäßige Gewichtsverteilung auf beide Beine beim Carving als Ausgangsposition angesagt. Situationsbedingt kann man zwischen den Belastungsarten Außenski, Innenski, Beidseitig variieren. Bode Miller zeigt es perfekt, er vertraut sich mit ganzem Gewicht oft dem Innenski an, was in den traditionellen Lehrmethoden als größter Fauxpas galt.

    Erhöhungsplatten sind Geschmackssache (ich mag und brauche sie nicht, fahre aber eine spezielle Skikonstruktion, die sie überflüssig machen). Durch die Festlegung der maximalen Skibreite seitens der FIS, sind sie für den Rennlauf notwendig gegen Boot Outs. Bindungsmontageplatten oder -vorrichtungen hingegen sind wichtig um die Konstruktionseigenschaften an der Biegelinie nicht zu beeinträchtigen, sie haben nichts mit Erhöhung zu tun.

  • MAX SCHERR: Warum hatte Michaela Dorfmeister bei den Interviews nicht mehr ihren Siegerschi sondern ein anderes Paar in der Hand??? Vielen Dank für die Antwort.

    NICOLA:

    1. Der "Siegerski" kommt wie ein hochklassiges Rennpferd sofort nach dem Rennen zur Verwahrung(Beschädigung, Materialspionage, Diebstahl, Sabotage etc.) und Pflege in den "Skistall".

    2. Für Interviews werden gerne Skis verwendet, die in etwa Körpergrösse des Athleten haben - "der Champion und die Marke auf selber Augenhöhe"

    3. Ein siegreicher Rennläufer, der mit im Handel erhältlichen Skis auftritt, unterstützt das Marketing besonders eindrucksvoll. (Rennskis sind manchmal Prototyp Designs oder ältere Modelle)

    4. Auf der ISPO werden bereits die Designs für Saison 2003/2004 präsentiert, ein Worldchampion muss für effektives Marketing ebenfalls Up to Date sein.

  • CHRISTOPH WILHELMER: wie und womit schärfe ich am besten meine kanten! und gilt diese methode dann auch fürs snowboard, herzlichen dank.

    NICOLA: Hallo christoph, Ein wenig Know How zum Thema Kantentuning kann bestimmt nicht schaden, da runde Kanten einfach Genuss und Sicherheit beim Skifahren oder Snowboarden mindern. Grundsätzlich brauchen Skis und Snowboards ähnliches Kantentuning, ich kann allerdings nur für den Skibereich Auskunft geben.

    Beim Kantentuning werden überstehende Kanten entfernt und abgenutzte Kanten frisch geschliffen. Für den Allroundgebrauch erweist sich der Schliff einer hängenden Kante als sehr Vorteilhaft. Freaks und Rennläufer verwenden verschiedene Winkel zwischen 86° und 89° an der negativen Kante. Nach dem Schleifen werden die Kanten an den Skispitzen und -enden für den Normalgebrauch "gebrochen", d.h. abgerundet um die Gefahr des Verschneidens zu verringern. Als Basisausrüstung brauchst du einen Feilenhalter mit verstellbarem Anschlagwinkel plus Feile. Ein Schleifgummi oder ein feiner Aluoxid – Stein sind gute Werkzeuge um die Kante nach dem Feilen zu Entgraten. Außerdem brauchst du eine Vorrichtung um den Ski für die Bearbeitung gut zu fixieren plus einen Rückspanner für den Skistopper, dass er beim Arbeiten nicht im Weg ist – diesen Zweck erfüllt ein gewöhnlicher Rexgummi oder abgeschnittene Nylonstrümpfe, ebenso wie im Handel erhältliche Spezialspanner. Das ganze Zubehör bekommst du im Sportfachhandel, die beste Auswahl und Einkaufsberatung erfahrungsgemäss dort wo auch Skiservice angeboten wird.

    Das Volltuning der Kante braucht etwas Wissen und Erfahrung, dazu empfehle ich dir entweder bei einem Profi zuzusehen und die wichtigsten Erklärungen einzuholen oder Infos aus dem Web z.B. von Toko und eine besonders gute Anleitung für Snowboards (die Basics gelten auch für Skis) von der Universität Magedburg Begrifferklärungen findest du hier: www.kunstpiste.com.

    Die Seitenkante zwischendurch zu feilen hilft, wenn man seine Skis schnell wieder "scharf machen" will, das ist auch keine Hexerei. Zum Schleifen der Seitenwangenseite gibt man zuerst eine grobe Feile in den Feilenhalter, der auf einen 89° oder 88° Winkel eingestellt ist. Nun mit zügigen, langen und gleichmäßigen Abziehbewegungen die Kante bearbeitet. Dabei nur wenig Druck geben, damit die Kante nicht wellig wird. Anschließend im Schaufel- und Endbereich nach Bedarf den Grat, der beim Schleifen entsteht, mit Gummi oder Stein brechen.

    Seit einigen Jahren ziehe ich für ein Vollservice an Kanten und Belag meiner Skis auf jeden Fall maschinelles Tuning vor, das viel präziser als Handarbeit ausgeführt wird.

    Viel Spass Nicola

  • HERR TONI: welche ursache hat die geringe anzahl (schranz, maier, eberharter) an gesamtweltcupsiegern des oesterreichischen herrenteams im vergleich zur allgemeinen dominanz in den einzeldisziplnen?

    NICOLA: Die Statistik zeigt: wer nicht in mindestens drei Sparten punkten kann, hat es wesentlich schwerer im Match um den Gesamtweltcup mitzumischen. Die Leistungsdichte an der Spitze der einzelnen Disziplinen im österreichischen Team bedeutet sehr großen internen Konkurrenzdruck – die WM Aufstellung des Herrenteams hat es wieder einmal gezeigt, potentielle Medaillenanwärter müssen zusehen. Deshalb beginnt in Österreich die Spezialisierung auf Technik- oder Speeddisziplin sehr oft schon in der Jugendklasse, um die Chance auf den Sprung in das Nationalteam zu Vergrößern. Athleten aus kleineren Teams, Bode Miller beispielsweise, können in allen Disziplinen genügend Rennerfahrung aufbauen und mit fixen Startplätzen rechnen. So paradox es klingen mag, an diesem Punkt ist kollektive Überlegenheit oft Hindernis für individuelle Sonderperformance, die ein Gesamtweltcupsieger geben muss. Der Vorarlberger Marc Girardelli hat schon früh eine Strategie zu seinem Rekord mit 5 Gesamtweltcups entwickelt. Er hat sich bereits mit 13 Jahren für Start und Entfaltungsmöglichkeit im Luxemburger "Kleinverband" entschieden.

  • FRAU ERNI: beim slalom in kitzbuehel hat ein eurosport kommentator einen sturz als "highsider" bezeichnet. was ist das?

    NICOLA: Dieser Begriff ist aus dem Motorradjargon entlehnt und hält langsam (vorerst nur bei Englischsprachigen Kommentatoren und echten Carvingfreaks) Einzug in die Skiterminologie. Wenn die Skis am Hinterende quer zum Kurvenradius wegrutschen neigt sich der Oberkörper zum Hang. Erhalten die Skis in dieser Phase wieder Kantengriff, wirken Kräfte die den Skifahrer ruckartig in die Höhe katapultieren. Diese Form von Stürzen war früher eher selten, mit Carvingskis kommen sie jedoch auf Grund der sie auszeichnenden Dynamik, besonders im Rennlauf recht häufig vor und führen manchmal zu schmerzhaften Becken- Rumpf- und Schultergürtelprellungen.


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