... mit Argusaugen, ob teutonische Frechheit Christoph Dichands Geburtsrecht infrage zu stellen wage, ständig bereit, der Stimme des Blutes in Form von brieflichen Bekundungen der Treue zum angestammten Medienhaus Verstärkung zuteil werden zu lassen. Deutsche Ränke riefen nun den einst barsch in die Rente verstoßenen Friedrich Dragon - er hatte genetische Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Erbfolge - als Prokurator zurück auf den Plan, eine teuflischer Intrige, weil besagter Dragon nicht nur des Blattmachens kundig, sondern auch noch - Österreicher ist.

Doch wo die Not groß, waltet Wotan voll Wahnwitz. Ausgerechnet unter Deutschnationalen wird Treue noch so hochgehalten, dass selbst Deutschland zurückstehen muss, wenn der ostmärkische Lehensherr des Beistandes bedarf. Wer wie Andreas Mölzer in der "Krone" eine Kolumne schreiben darf, um extremfreiheitliche Leser bei der Stange zu halten, wenn der Herausgeber an Jörg Haider gerade nicht anstreifen mag, der will nicht undankbar erscheinen, wenn unvölkisch gesinnte Herren aus Essen in der Zeitung frech mitreden wollen, die ihnen zur Hälfte gehört. Da stellen sich Mölzer und Sohn in "Zur Zeit" als schreibende Schutzschilde vor Dichand und Sohn, dass es eine Art hat.

Linksliberal bis sozialistisch ist die Linie, die von "WAZ"-Herren Schumann und dem neuen Konzerngewaltigen Hombach, Ex-Intimus von SPD-Chef Schröder, gefahren wird. Daß da das Verständnis für die volksnahe, wertkonservative Blattlinie der "Krone" nur beschränkt sein kann, liegt für Andreas Mölzer auf der Hand. Folgerichtig haben sie daher den Linksradikalen Dragon als Prokuristen eingesetzt. Und Friedrich-Wilhelm Moewe will wohl einmal die Mölzer-Kolumne bei den Dichands erben, wenn er versichert, die "Krone" bleibt eine österreichische Institution, und das biblische Bild vom Kampf David gegen Goliath aufnimmt: Auch wenn Goliath mit den bekannten Kampfmitteln der "political correctness" und deren sattsam bekannten heimischen Schildknappen, wie etwa dem Anwalt Daniel Charim, angetreten war, vermochte David doch, die Attacke auf angeblich "nationalistische Töne" - die "Krone" müsse österreichisch bleiben - abzuwehren.

Keine Angst. Tatsächlich bleibt das Kleinformat die große mediale österreichische Institution. Solange Hans Dichand als rot-weiß-roter Zeitungs-Patriarch im 16. Stockwerk des Pressehauses sitzt, solange sein Sohn sich der Blattlinie seines Vaters verpflichtet fühlt - im Klartext: solange ein Mölzer dort eine Kolumne absondern darf - dürfte der Erfolg der "Krone" ungebrochen bleiben.

Aber nicht nur um Inhalte geht 's, auch um den Stil. Es gibt keine Herren mehr, wird an anderer Stelle geklagt. In Konfliktsituationen zeigt sich, daß es im bundesrepublikanischen Management einen bestimmten Typus gibt, der jeden Sinn, jedes Gefühl für Stil und für den einst vielzitierten "Comment" (oder sollte man schlicht auf Deutsch sagen: für gutes Benehmen) vermissen läßt. Schämen Sie sich, Herr Schumann! Was der nämlich an persönlichen Attacken gegen Dichand senior und junior losließ, grenzte, gelinde gesagt, an Taktlosigkeit. Einem über achtzigjährigen alten Herren zu erklären, er sei "endlich" und seine Zeit gehe zu Ende, heißt doch im Klartext nichts anderes als: man wünscht ihm den baldigen Tod an den Hals.

Dieser Mangel an Comment ist leider ein paar Seiten weiter hinten auch bei besagtem Herrn Moewe festzustellen, der taktlos diagnostizierte, auch ein Hans Dichand ist leider nicht unsterblich. Vollends grotesk findet es der Redaktionstugendbold von "Zur Zeit" aber, wenn der Alte dann noch bezichtigt wird, "Nepotismus" zu betreiben, weil er seinen Sohn zum Erben und Nachfolger einsetzt. Tun das nicht viele Senior-Chefs, indem sie dem Junior die Nachfolge anvertrauen? Vom Nepotismus könnte man - wie der Name schon besagt, und jetzt gut zuhören, Herr Schumann - höchstens dann sprechen, wenn er seine Neffen und Günstlinge in Position plaziert, die ihnen nicht zustehen. Kapiert, ihr Rüpel in Essen?

Beim Willi-Elmayer-Aufguss von "Zur Zeit" traf neulich auch die Klage ein, das heutige Deutschland gleiche einer "seelischen Tiefkühltruhe", jeder Sinn für kultivierten gegenseitigen Umgang drohe verloren zu gehen. Noch schlimmer! Schlechterdings grotesk wird es dann, wenn "WAZ"-Geschäftsführer Schumann einerseits beteuert, sein Verlagshaus greife in die Arbeit der zu ihm gehörenden Redaktionen nicht ein - um sich im nächsten Moment zu brüsten, man habe aus Essen in Wien wegen "nationalistischer und antisemitischer Töne" der "Kronen Zeitung" interveniert. Hier wird dann auch die Keule der "political correctness" gegen eine Zeitung und den (Mit)Eigentümer geschwungen.

Da hat er Recht. Wenn einer schon wegen antisemitischer Töne der "Krone" interveniert, dann ist der Comment im Eimer. In Österreich weiß das jeder Politiker - schließlich soll dieses Land keine seelische Tiefkühltruhe werden! (DER STANDARD; Printausgabe, 4.2.2003)