Die ÖVP müsse in die Mitte rücken, um Schwarz-Grün möglich zu machen, fordert der grüne EU- Abgeordnete Johannes Voggenhuber im Gespräch mit Samo Kobenter.

STANDARD: Wie groß sind die Chancen auf eine schwarz- grüne Regierung?

Voggenhuber: Ich glaube, dass aus einer mathematischen eine ernsthafte Option geworden ist.

STANDARD: Was spricht dafür, in diese Koalition zu gehen? Im Wahlkampf hat es diese Option seitens der ÖVP überhaupt nicht gegeben, im Gegenteil.

Voggenhuber: Die konnte es auch nicht geben, das war nicht vorhersehbar und ist auch ein Kulturschock für viele von uns, weil sie es sich mit einer ÖVP nicht vorstellen können - vor allem nicht mit der, die ein schwarz-blaues Projekt verfolgt. Das wird auch der Knackpunkt sein: Ob die ÖVP in die Mitte rückt und mit uns auf einer christlich-sozialen Ebene verhandelt.

STANDARD: Was heißt das?

Voggenhuber: Wenn die ÖVP sich als eine christdemokratische Partei versteht, dann können Grüne nicht das Dogma aufstellen, mit so etwas koaliert man nicht. Sehr wohl aber können sie sagen, auf Grundlage der schwarz-blauen Wende geht das nicht.

STANDARD: Und die ÖVP hat sich so sehr verändert, dass die Politik eines Andreas Khol oder Ernst Strasser vergessen ist?

Voggenhuber: Ach, der Herr Khol ist ein Sohn der Zeit, und der Herr Strasser auch.

STANDARD: Ihre Politik bleibt.

Voggenhuber: Die politischen Ansichten der beiden sind auch Töchter ihrer Zeit. Man muss sich die Alternativen ansehen, die es gibt: Mit einer zersplitterten SPÖ, die im Sozialthema ein gewaltiges Theoriedefizit hat und sich kaum von den Gewerkschaftspositionen wegbewegt, würde eine absolute Blockade eintreten. Schwarz-Blau kann für uns nur ein Horror sein. Die Frage ist, ob eine Kombination Schwarz-Grün aus einer Modernisierung durch Einsparungen ein Erneuerungsprojekt macht, das die Bereiche der Demokratie ebenso umfasst wie Medien, Umweltpolitik, Kultur und Europa. Da habe ich bei den Verhandlungen von ÖVP und SPÖ nichts gehört. Wir müssen vermeiden, der Esel zu sein, der für die ÖVP die Säcke durch das Tal der Tränen trägt. Aber wenn es gelingt, aus einem neoliberalen Programm eine Offensive der Liberalität zu machen, hat man die Verpflichtung, das ernsthaft zu prüfen. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.2.2003)