Klagenfurt - Die Infektion mit Lungentuberkulose in einem Chemiewerk der Treibacher Industrie AG (Tiag) ist offenbar dramatischer, als bisher bekannt wurde. Denn bevor mittels einer Untersuchung durch das örtliche Gesundheitsamt in St. Veit/Glan bekannt wurde, dass 41 Arbeiter mit TBC-Erregern zwar infiziert, aber nicht erkrankt sind, gab es - wie DER STANDARD nun recherchierte - bereits sechs Fälle von offener TBC.

Nachdem im heurigen Jänner ein 40-jähriger Mann schwer an TBC erkrankte, wurde ein neuerliches Screening aller 120 Mitarbeiter vorgenommen. Laut Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft St. Veit, Barbara Stonitsch, handelt es sich um "einen sehr aggressiven TBC-Stamm".

Körperlich schwach

Die erste offene Erkrankung trat bereits im Juni 2001 auf. Damals wurde sofort eine so genannte Umfelduntersuchung durchgeführt, die laut Amtsärztin "keine weiteren Infektionen ergeben hat". Bei folgenden, in TBC-Fällen vorgeschriebenen Kontrolluntersuchungen stieß man dann auf zusätzliche offen Erkrankte.

Eine davon war die Tochter des Erstinfizierten. Aber auch außerhalb des Werkes war bei einem Mann offene TBC ausgebrochen. Er hatte sich häufig mit einem Firmenarbeiter im Wirtshaus getroffen. Dass es im Treibacher Chemiewerk zu so einer massiven Häufung von TBC-Erkrankungen gekommen ist, führt die Amtsärztin unter anderem auf das geschwächte Immunsystem der Betroffenen zurück. "Sie müssen im Schichtbetrieb körperlich schwer arbeiten und sind einer extrem hohen Staubbelastung ausgesetzt."

Obwohl die Arbeit in einem chemischen Werk nicht zu den "Risikotätigkeiten" gehört, wie man im Tuberkulosereferat der Stadt betont. In Österreich, so heißt es dort, seien derzeit vor allem "Ärzte und Krankenschwestern" von Tuberkuloseinfektionen bedroht. Die Zahl Erkrankter sinke von Jahr zu Jahr. Doch ob sich dieser Trend fortsetze, sei angesichts steigender Tuberkuloseraten in Rumänien und vielen GUS-Nachfolgestaaten unsicher.

Im Kärntner Tiag-Werk könnte die Krankheit über eine gemeinsam benutzte Gesichtsmaske übertragen worden sein. Oder über Trinkgläser, aus denen mehrere Arbeiter tranken. Wahrscheinlicher sei jedoch eine Tröpfcheninfektion, da die gemeinsamen Schutzmasken schon im Vorjahr von der Werksleitung entfernt worden seien.

Jene 41 Infizierten, die laut Landessanitätsdirektion als gesund gelten und arbeitsfähig sind, müssen sich einer neunmonatigen, von Fachärzten kontrollierten Behandlung unterziehen. (bri, stein/DER STANDARD, printausgabe 04.02.2003)