Wien - Die SPÖ hat am Freitag in Sachen Regierungsbildung zwölf Zukunftsinitativen präsentiert, die dem potenziellen Koalitionspartner ÖVP zu einer "vertiefenden Problemsicht" verhelfen sollen. Das von Parteichef Alfred Gusenbauer und seinem Team präsentierte Programm sieht unter anderem die Steuerfreistellung für Monatseinkommen bis 1.000 Euro ab Mitte des Jahres, eine große Steuerreform erst 2005, ein einheitliches Pensionsrecht für alle heute 35-Jährigen und Jüngere, jährlich 2 Milliarden Euro für Straße und Schiene sowie die Schaffung von 25 Sicherheitsregionen im Rahmen der Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie vor.

In manchen Punkten kommt die SPÖ mit ihren Visionen auch der Volkspartei entgegen. So verweigert man eine europäische Beistandspflicht nicht mehr grundsätzlich. Sollte der Europa-Konvent diese Richtung einschlagen, werde man diesem Weg folgen, erklärte Parteivize Heinz Fischer. Allerdings werde es keinen "Vorratsbeschluss" mit der SPÖ geben. Seine Partei präferiere ohnehin weitere Schritte in Richtung einer Europaarmee. Die Option Nato-Beitritt ist für Fischer "nicht aktuell".

Alle Fragen der ÖVP beantwortet

SP-Chef Alfred Gusenbauer bezeichnete die zwölf Initiativen seiner Partei als Versuch, die Probleme des Landes an der Wurzel zu fassen und nicht Symptombekämpfung durchzuführen. Mit dem Papier seien alle in den Gesprächen mit der Volkspartei aufgeworfenen Fragen beantwortet. Besonderes Augenmerk will Gusenbauer auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und dabei vor allem auf eine Infrastrukturoffensive legen. Bis 2015 soll der Generalverkehrsplan umgesetzt sein, die dafür veranschlagten zwei Milliarden Euro jährlich sollen unter anderem durch die Lkw-Maut hereinkommen und im Verhältnis 60 Prozent Schiene, 40 Prozent Straße aufgeteilt werden.

Beim Streitthema Pensionen bleibt Gusenbauer dabei, dass für alle heute 35-Jährigen und Jüngere ein einheitliches System mit gleichen Beiträgen und Leistungen entstehen soll. Am Ende würde eine Netto-Ersatzrate von 80 Prozent nach 45 Versicherungsjahren stehen. Zusätzlich sprach sich der SP-Vorsitzende für eigene Frauenpensionen sowie für ein modernes Erwerbsunfähigkeitsrecht aus. Um kurzfristig Mittel einzusparen, wiederholte Gusenbauer seinen Vorschlag, bei Pensionen über der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage, sprich hauptsächlichen Beamtenpensionen, einen Solidarbeitrag einzuheben. Eine Abschaffung der Frühpension lehnt er zwar nicht grundsätzlich ab, der Zeitplan müsse sich aber an der Arbeitsmarkt-Situation orientieren.

Wenig Konkretes zum Gesundheitswesen

Nicht ganz so konkret ist die SPÖ, was das Gesundheitswesen angeht. Angesichts einer prognostizierten Finanzlücke von 1,1 Milliarden Euro 2006 tritt Gusenbauer für Strukturmaßnahmen ein, die bis dahin die Hälfte dieses befürchteten Defizits einfangen sollen. Für den Rest denkt die SPÖ zusätzliche Mittelzuführungen gemäß dem Gedanken der "Beitragsgerechtigkeit" an, wobei der Parteichef in Sachen Selbstbehalte skeptisch ist. Denn für Gusenbauer wäre diese Maßnahme lediglich eine "bürokratische Möglichkeit", neue Beiträge einzuführen.

Klar bekannte sich der SP-Chef zum Ziel eines ausgeglichen Staatshaushalts über den Konjunkturzyklus. Ziel müsse sein, in wirtschaftlich besseren Zeiten zu konsolidieren und in schlechteren Phasen entsprechende Investitionen zu tätigen. Notwendig ist für die SPÖ in der kommenden Legislaturperiode eine große Steuerreform nach den Prinzipien der Gerechtigkeit und ökologischen Nachhaltigkeit, die sich auch an den Systemen andere EU-Staaten orientieren soll. Als ersten Schritt will man aber bereits heuer ab Jahresmitte Monatseinkommen unter 1.000 Euro steuerfrei stellen.

Verwaltungsreform

Bei der Verwaltungsreform ist man zwar mit der ÖVP eins, dass es einen entsprechenden Konvent geben soll, allerdings forderte der Zweite Nationalratspräsident Heinz Fischer von der Volkspartei "ein bisschen" mehr Mut ein, dann auch entsprechende Reformen durchzuführen. Demokratiepolitisch möchten die Sozialdemokraten die Minderheitenrechte im Parlament deutlich stärken, will man doch schon zwei Dritteln der Nicht-Regierungsabgeordneten die Möglichkeit geben, eine Untersuchungsausschuss zu beantragen. In der Schulpolitik tritt die SPÖ für die Abschaffung der Landesschulräte sowie für die Schaffung der kooperativen Mittelschule ein. Die Studiengebühren werden weiter abgelehnt.

Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie

Anfreunden kann sich die SPÖ mit dem ÖVP-Verlangen nach einer Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie, wobei Fischer hier noch einen Schritt weiterging. Er schlug vor, analog zu den Gerichtsstrukturen 25 regionale Sicherheitsbehörden zu etablieren, die dann direkt dem Innenministerium unterstehen. Damit wäre einerseits mehr Effizienz möglich, andererseits eine bessere Verbindung zu den Gerichtsstrukturen geschaffen.

Keine Probleme mit der Volkspartei sollte es geben, was das Ja der SPÖ zur EU-Erweiterung und einer vertieften Nachbarschafts- bzw. Friedenspolitik angeht. Weniger Freude dürfte die ÖVP damit haben, dass sich am Nein der Sozialdemokraten zur Abfangjäger-Nachbeschaffung auch in den am Freitag präsentierten Visionen nichts geändert hat. (APA)