Sigrid Wadauer widmet sich im START-Projekt der "Erzeugung von Arbeit".

Gegenwärtige Debatten über Arbeitsverhältnisse und Prekariat (Arbeitslose, Alleinerziehende, kleine Selbstständige) beziehen sich nicht selten auf ein bestimmtes Wissen über "richtige Arbeit".

Doch wie kam es zu solchen Vorstellungen? In ihrem START-Projekt erforscht Sigrid Wadauer unter dem Titel "Die Erzeugung von Arbeit", wie sie zwischen 1880 und 1938 entstanden sind und sich durchgesetzt haben. Auf wen trafen diese Vorstellungen überhaupt zu und wie wurden in diesem Zusammenhang Formen der Arbeit und Arbeitssuche definiert?

Dabei geht es der Wissenschafterin nicht bloß um die staatliche Perspektive, sondern wesentlich darum, was diese Veränderungen für jene bedeutet haben, die gearbeitet, Arbeit gesucht oder eben nicht gearbeitet haben. "Dabei sollte man nicht heutiges Wissen über Prekarität in die Geschichte projizieren", stellt die 39-Jährige fest: "Um etwas zu erkennen, muss man sich von Alltagsvorstellungen lösen."

In ihrer bisherigen Laufbahn hat die Sozial- und Kulturhistorikerin in einer ganzen Reihe von Drittmittelprojekten gearbeitet. Der Wissenschaftsfonds war (im Auftrag des Wissenschaftsministeriums) ihr stetiger Begleiter - mit Dissertationsstipendium, Hertha-Firnberg-Stelle, Elise-Richter-Programm und jetzt mit einem START-Preis, der es ihr ermöglicht, am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte ein Team aufzubauen, wobei sie in der Kooperation mit anderen Projekten am Institut aber auch auf internationaler Ebene ein großes Potenzial sieht. 2002 ging sie als Visiting Scholar an die University of Illinois in Urbana-Champaign. Wettbewerb und die Notwendigkeit, sich im wissenschaftlichen Kontext zu bewähren, hält die gebürtige Linzerin in der Forschung für unumgänglich. "Existenzangst ist aber nicht förderlich", meint Wadauer, die nun sechs Jahre ungestört an einem Thema forschen kann.

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts begannen Staaten, systematischer in Arbeitsverhältnisse und in die Verteilung von Arbeit einzugreifen. Soziale Rechte - so wurde und wird argumentiert - verlangen die Identifizierung jener, die hilfsbedürftig und anspruchsberechtigt sind. Aber eben auch jener, die arbeiten können, aber es nicht tun oder tun wollen.

Sigrid Wadauer möchte herausfinden, wie dieses Unterfangen zum Beispiel in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit organisiert wurde: Wie funktionierten Identifizierung, Kontrolle, Hilfe oder Bestrafung konkret? Wo begann die anerkannte Unmöglichkeit zu arbeiten und wo die Arbeitsverweigerung? Strategien, ein Auskommen zu finden, wurden "in unterschiedlichem Ausmaß toleriert, akzeptiert oder auch kriminalisiert."

Forschung bedeutet für die Historikerin fortwährende Berichtigung, "weil nicht mehr infrage gestelltes Wissen dazu tendiert, falsch zu werden". Die Bereitschaft, zu zweifeln und auch eigene Ergebnisse infrage zu stellen, ist ihr wichtig: "Es geht immer auch darum, die Art des Denkens zu verändern und Werkzeuge zu finden, die einem das ermöglichen."

Ihre Freizeit verbringt sie mit Vorliebe im Freien: Sie geht, läuft, schwimmt und fährt gern mit dem Rad. Die Nachmittage am Wochenende sind nach Möglichkeit für mehrstündige Mountainbike- oder Rennradtouren reserviert. (Astrid Kuffner/DER STANDARD, Printausgabe 09.01.2008)