"Sie kam und blieb"

"Es geht für die Frauen nicht darum, sich als Frau zu bestätigen, sondern um die Anerkennung als menschliche Wesen in jeder Hinsicht": Die Französin Simone de Beauvoir (1908-1986) ist mit ihren Büchern zu einer der führenden Philosophin und Literatin der europäischen Intellektuellenszene des 20. Jahrhunderts und zu der bekanntesten Feministin ihres Landes geworden.

In "Sie kam und blieb", ihrem 1943 erschienenen Erstling (deutsch: 1953), den sie eigentlich nie veröffentlichen wollte, verarbeitet de Beauvoir das Dreiecksverhältnis zwischen ihr, ihrem Lebensgefährten Jean-Paul Sartre und der jugendlichen Russin Olga Kosakievicz, die Beauvoir zum Philosohpiestudium ermutigte - ein Unterfangen, das scheiterte. Das enfant terrible , von de Beauvoir später in ihrer Autobiografie "Olga D." genannt, machte aus dem Duo ein Trio, ein de Beauvoir willkommenes Konzept, welches sie im Erleben aber zugleich mit Altern und Eifersucht konfronierte: "Es gibt etwas an der Eifersucht, dass vollkommen gültig und wahr ist. Wenn A mit B etwas erlebt hat, und B erlebt das gleiche mit Z, wird sich A selbstverständlicherweise ausgeschlossen fühlen; etwas Gemeinsames zerbricht, etwas Unersetzliches, das er mit B erlebt hat, wird zerstört."

In "Sie kam und blieb" unternimmt de Beauvoir keine Verhaltensanalyse; sie skizziert eine in ihrer energischen Offenheit neue Weiblichkeit, indem sie zwei gegensätzliche Frauencharaktere beschreibt. Neben "Der Ekel" von Sartre galt "Sie kam und blieb" schon im Herbst 1946 als Meisterwerk der existenzialistischen Literatur.
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"Das andere Geschlecht"

"Man wird nicht als Frau geboren, man wird dazu gemacht" und eine Prioritätsformulierung "[...] dass Mann und Frau jenseits ihrer natürlichen Differenzierungen rückhaltlos geschwisterlich zueinander finden": Ein Werk, das Ende 1949 unzählige Leser veranlasste, seiner Autorin obszöne Einladungen oder Hilfsangebote zu übermitteln. Man nannte sie frigide, lesbisch, hundertfache Abtreiberin, nymphomanisch, priapeisch, böse, verbittert, neidisch; ein Kommentar traf de Beauvoir besonders tief, stammte er doch nicht aus anonymer Feder eines potenziell Verrückten: "Nun weiß ich alles über die Vagina Ihrer Chefin", schrieb François Mauriac an einen Mitarbeiter der "Les Temps Modernes", der '45 von "Biber", wie de Beauvoirs Spitzname lautete, mitbegründeten Zeitschrift. Auch Albert Camus warf ihr vor, den französischen Mann lächerlich gemacht zu haben.

"Das andere Geschlecht", siebenhundert Seiten stark, evozierte auch einen Diskurs über eine Minderwertigkeit der Frau, die die Autorin in ihrem Werk von sich wies: "[...] dermaßen von dem Gefühl der Überlegenheit durchdrungen, konnten sie sich nicht vorstellen, dass meine Weiblichkeit mich nie belastet hatte", schreibt de Beauvoir in "Der Lauf der Dinge".
Beim Erscheinen des Buches in den USA 1953 gab es keine bösartigen Kritiken.

Dem späteren Standardwerk des Feminismus gingen Jahre der Auseinandersetzung mit der Mann-Frau-Dialektik, Amerika-Erlebnisse sowie ihre Liebesbeziehung zu Nelson Algren zuvor. In New York schrieb sie: "Die Frau, die sich als Idol betrachtet sehen möchte, wird von denen zur Sklavin gemacht, die sie verehren."
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"Die Mandarins von Paris"

Ihren Tagen mit Algren widmete de Beauvoir, die damals mit Claude Lanzmann zusammen lebte, ihren Schlüsselroman von 1954 (deutsch: 1955), "Die Mandarins von Paris", der das Ende des Existenzialismus und dessen literarischer Formen markiert: "Sein Begehren verwandelte mich. Wie lange hatte ich keinen Geschmack, keine Gestalt, nun besaß ich wieder Brust, Leib, Sexus, war ich wieder Fleisch und Blut; ich nährte wie das Brot, duftete wie die Erde."

In diesem Werk beschreibt de Beauvoir die Gruppe der Pariser Linksintellektuellen um sie selbst (die "Anne") und Sartre ("Dubreuilh") nach Ende des Zweiten Weltkrieges, bestimmt von politischer Desillusionierung, und kommt damit bei sowohl linker Presse sowie bürgerlicher äußerst positiv an. Allein im ersten Monat nach Erscheinen verkaufte sich das Buch 40.000 Mal. Im Oktober erhielt sie dafür den Prix Goncourt für das beste französische erzählerische Werk 1954.
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"Ein sanfter Tod"

In einem ihrer kürzesten Essays verarbeitet de Beauvoir 1964 (deutsch: 1965) den Tod ihrer Mutter Françoise; man verschwieg dieser die wahre Ursache ihres qualvollen Sterbens, Krebs, da die Siebzigjährige Angst gehabt hatte, an eben dieser Erkrankung zu sterben. Eine Krankenschwester meinte, sie hätte einen "sanften Tod" gehabt.

Titelgebend für de Beauvoirs, von Sartre als ihr bestes bezeichnetes, Buch, das das Elend des Sterbens mit der Nüchternheit der Umgebung, des Krankenhauses, kontrastiert und darüber hinaus einen Angriff auf die Bourgeoisie unternimmt: Selbst im Tod verweigert man der Mutter die Wahrheit, wie sie auch schon mit der bürgerlichen Lüge leben musste.
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"Das Alter"

Der erfolgreiche dritte Band ihrer Memoiren erschien 1970 (deutsch: 1972) und geht der Abwertung des Alter(n)s über siebenhundert Seiten auf den Grund. Biologische und psychologische, ethnologische und soziologische Aspekte führt de Beauvoir in Außenansicht hierbei ebenso an wie die innere Sichtweise des Alterungsprozesses.

Sie schrieb: "Wenn wir begriffen haben, was das Alter als Status bedeutet, können wir uns nicht darauf beschränken, eine großzügigere 'Alterspolitik', größere Vergünstigungen, angemessene Wohnmöglichkeiten und organisierte Freizeit zu fordern. Hier steht das ganze System zur Diskussion, und unsere Forderung kann nur radikal sein: Verändert das Leben an sich."
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"Die Zeremonie des Abschieds"

1975 erscheint zum Geburtstag des "Anderen Geschlechts" eine Sonderausgabe der Zeitschrift "L'Arc", für die de Beauvoir Sartre zur in seinem Werk immanenten Phallokratie, über Methoden, sich gegen Unterdrückung aufzulehnen, über das Scheitern der sozialistischen Revolution befragte; er gab zu, dass auch er Frauen ausgebeutet habe; sie bescheinigte ihm, sich durch ihre Arbeit nicht verändert zu haben, aber auch, dass er sie immer als gleichwertig betrachtet habe.

In dem 1981 (deutsch: 1983) erschienenen Buch beschreibt de Beauvoir die letzten zehn Lebensjahre Sartres und ihre Gespräche von August bis September 1974 und damit auch den physischen und geistigen Verfall ihres Lebenspartners vor dessen Tod.

Eine ausführliche Übersicht zu Simone de Beauvoirs Werken bietet FemBio. (red)
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