Wien - Es ist ein seltsames österreichisches Phänomen, für das es bisher keine wirkliche Erklärung gibt: Beim EMS-Test, der seit dem Herbst 2006 die Aufnahmehürde für das Medizinstudium darstellt, schneiden junge Frauen deutlich schlechter ab als ihre männlichen Mitbewerber.

Als Konsequenz daraus plädiert ÖVP-Wissenschaftssprecherin Gertrude Brinek im Gespräch mit dem Standard dafür, Mädchen und Buben getrennt zu unterrichten - allerdings nicht in getrennten Schulen, sondern nur in einigen Fächern oder bei Projekten. Es gebe nämlich in den Schulen eine "geschlechterspezifische Arbeitsteilung", meint Brinek, sprich: Mädchen übernehmen soziale Aufgaben und trauen sich in Naturwissenschaften und Mathematik nicht so viel zu wie ihre Schulkollegen. In diesen Fächern sollten sie daher in der Oberstufe getrennt von den Burschen unterrichtet werden - und zwar von Lehrerinnen, die (ebenso wie ihre männlichen Kollegen) für die Gender-Frage sensibilisiert werden müssten.

So würde nicht nur eine "schwesterliche Form der Motivation", sondern auch ein "Freiraum" entstehen, meint Brinek, in dem es erlaubt sei, vermeintlich blöde Fragen zu stellen. Eine weitere Erkenntnis, die für die ÖVP-Wissenschaftssprecherin für diese Trennung spricht: "Aus reinen Mädchenschulen gehen mehr Absolventinnen in Richtung technische Berufe."

Eine weitere Analyse präsentierten bereits Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) und Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Uni Wien: In den Schulen würden bei der Benotung von Mädchen und Buben unterschiedliche Maßstäbe angelegt. Bei den Schülerinnen, die meist bessere Noten haben, würden auch Tugenden wie "Wohlverhalten und soziale Kompetenz" in die Notengebung einfließen.

Am EMS-Test solle man grundsätzlich festhalten, findet Brinek. In der Schweiz, wo der entwickelt wurde und auch ausgewertet wird, gibt es den Geschlechterunterschied nicht. Außerdem könnten damit Interventionen vermieden werden. Brinek wünscht sich aber stärkere Vorbereitung auf das Uni-Leben im Allgemeinen und auf den EMS-Test im Speziellen - etwa durch den verstärkten Einsatz von Multiple-Choice-Tests.

Im Ressort von Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) kennt man Brineks Idee noch nicht und will sie daher auch nicht kommentieren. Einen Gender-Arbeitsschwerpunkt gebe es jedenfalls. (Andrea Heigl, DER STANDARD, Print, 31.12.2007)