Der süße Geschmack der gezähmten Rebellion: Horst "Hotte" Buchholz - um körperliche wie mentale Lockerung bemüht in dem stilprägenden Jugendlichen- drama "Die Halbstarken"

Foto: Filmarchiv
Dem Film ist ein Insert vorangestellt, das eine moralische Lesart vorgibt: Die jugendliche Bande, die in Georg Tresslers 50er-Jahre-Erfolg Die Halbstarken am Rande zur Kriminalität agiert, sei zwar eine Minderheit, den Film aber soll man als Warnung an die Mehrheit verstehen. Diesen Vorschlag löst er dann allerdings nur tendenziell ein: Zwar läuft die Erzählung über einen missglückten Überfall auf die Läuterung der rebellischen Jugend hinaus; deren Darstellung ist jedoch nicht negativ konnotiert - vielmehr kokettiert der Film mit ihrer Musik, flotten Sprüchen, ihrer Verweigerungshaltung.

Die Reihe "Halbstark" des Filmarchivs Austria, die sich mit dem Schaffen des 1917 in Wien geborenen Tressler befasst, meint, in solchen Ambiguitäten die Handschrift eines Autors ablesen zu können. Mit ihren "Jugendfilmen", zu denen noch Endstation Liebe und Unter 18 (Noch minderjährig) gehören, haben sich der Regisseur und seine Drehbuchautoren Will Tremper und Johannes Mario Simmel mit einer Gesellschaftsschicht beschäftigt, die damals noch keine richtige Zielgruppe war, aber schon auf ihr Freizeitvergnügen pochte.

Der Ort der Jugendlichen in diesen Filmen ist die Straße, auf der sie posieren, sich dem Einfluss ihrer Eltern entziehen und vom schnellsten Weg zum Geld träumen. Den großstädtischen Raum, ob in Berlin oder Wien, fängt Tressler mit einem fast dokumentarischen Blick ein - er dreht stets an Realschauplätzen. In Endstation Liebe (mit Horst Buchholz) verliebt sich das Pärchen beim nächtlichen Spaziergang, an Schaufensterfassaden vorbei, bis sie am Schrottplatz vom Dasein im fernen Amerika fantasieren.

Nicht zuletzt aus den USA bezieht Tresslers Kino sein Interesse an jugendlichen Helden. Die Straße ist fast immer verdächtig und wird von Anstandswauwaus bewacht. Unter 18 - den Paula Wessely produzierte und in dem sie eine engagierte Fürsorgerin verkörpert - zeigt, was passiert, wenn die naive Elfie an solchen Orten ihr Glück versucht und nicht in der ihr zugedachten Hemdenfabrik: Sie wird von den gierigen Blicken älterer Männer verfolgt, schafft es allenfalls zur Mätresse eines verheirateten Herrn. Aber noch hier bleibt Tressler uneindeutig: Der Film scheint um das Verlangen der Jugend nach Konsum genauso zu wissen wie um desolate Familienverhältnisse - nur findet er keine Lösung.

Unter 18 ähnelt den Halbstarken , wenn er dem Reiz der Subkultur erliegt, die Handlungen der Figur aber spätestens an dem Punkt verurteilen muss, wo sie zur Kriminalität neigen. Von Tresslers Faszination für das Reißerische zeugt überdies, dass er sich später an Sexfilmen versuchte. Sein vielleicht stimmigster Film gelang ihm jedoch mit der Adaption von Karl Schönherrs Der Weibsteufel : Der Anti-Heimatfilm lotet ein Dreiecksverhältnis zwischen einem Bauern, dessen Frau und einem Gendarmen aus. Maria Emo, Sieghardt Rupp und Hugo Gottschlich liefern sich einen Kampf, in dem nie ganz klar ist, wer gerade wen auszubeuten versucht. Ist der Stil des Handwerkers Tresslers einer der Ambivalenz, dann offenbart sich diese wohl hier: in einem Drama, an dessen Ende keine Ordnung wiederhergestellt ist. (DER STANDARD, Printausgabe vom 20.1.2003)