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Peter Zawrel

Foto: APA / Barbara Gindl

Zweifelnd sieht Peter Zawrel, der Leiter des Film Fonds Wien (FFW), dem Jahr 2003 entgegen: Im Gespräch mit Claus Philipp findet er die heimische Filmbranche trotz starker Initiativen unterschätzt. Und bedrängt durch drohende Sparmaßnahmen des ORF.




STANDARD: Was ist Ihre Prognose für das heimische Film- und TV-Schaffen 2003?

Peter Zawrel: Ich würde jetzt gern gute Stimmung verbreiten, aber ich glaube, es sieht teilweise finster aus. Einerseits gibt es zwar beim Österreichischen Filminstitut (ÖFI) nach der diesjährigen Mittelerhöhung vielleicht eine Konsolidierung: Dort kommt man derzeit auf 7,4 Millionen Euro; wir kommen auf rund 7,9 Millionen. Andererseits werden beim ORF Sparmaßnahmen kolportiert, durch die es für Produzenten, die immer weniger Bandbreite an Aufträgen haben, ziemlich eng würde.

STANDARD: Und was bedeutet das für ÖFI und FFW?

Zawrel: Man wird sich genauer überlegen müssen, welche Programme welche Erfolgsmöglichkeiten haben. Eines ist klar: Wir können nicht den ORF fördern. Wir wollen die Filmschaffenden fördern und die Produzenten stärken. Letzteres geht nur, wenn die Produzenten mehr Rechte an ihren Produkten haben. Und das hat nur Sinn bei Filmen mit internationalem Potenzial.

Der ORF verkündet permanent: Wir wollen ein identitätsstiftendes Programm. Ich glaube nicht, dass es ein solches überhaupt gibt. Es gibt bestenfalls Programme, die Identitäten infrage stellen und diskutieren, aber "stiften" - das klingt ein wenig wie "stiften gehen". Ein TV-Film, der ORF-intern hohe Einschaltziffern hat, aber schon in Bayern nicht mehr verstanden wird, macht nur bedingt Sinn. Da werden wir dann halt unsererseits die Prioritäten setzen müssen.

STANDARD: Wie reif sind denn überhaupt die Produzenten und Filmemacher für den internationalen Markt?

Zawrel: Große Firmen wie etwa die Dor-Film haben es da derzeit sicher leichter: Die können es sich sogar leisten, mit einem völlig frei finanzierten Dokumentarfilm wie Im toten Winkel bis zur Oscar-Nominierung vorzustoßen. Andere können das mangels Größe und Struktur nicht.

Andererseits setze ich schon sehr auf den Nachwuchs: Amour Fou oder die COOP 99, um nur zwei Beispiele zu nennen, legen eine erstaunliche Kreativität und Professionalität an den Tag. Die nehmen aktiv ausländische Kontakte auf, brauchen, wie zuletzt etwa Nikolaus Geyrhalter, oft nicht einmal Geld vom ORF, erhalten hierzulande mitunter lediglich Geld aus regionalen Töpfen - und man kann nur hoffen, dass solche Initiativen zunehmend gelingen.

STANDARD: Was hielten Sie denn von der wiederholt auftauchenden Anmutung, den Film Fonds Wien und das Österreichische Filminstitut quasi zu einer Organisation zusammenzuschließen?

Zawrel: Ich glaube nicht, dass das sinnvoll ist. Das ÖFI hat als nationale Filmförderung eine andere Aufgabenstellung als wir, die ja regional Wirtschaftsinteressen verfolgen. Bei uns ist es zum Beispiel kein Problem, wenn ein heimischer Produzent ein ungarisch-finnisches Projekt mit einer australischen Regisseurin lanciert - solange er nur hierzulande wirtschaftlich Synergien erzeugt.

Beim ÖFI ist es anders: Da geht es um die Förderung heimischer Kreativer.

STANDARD: Trotzdem ist es derzeit der FFW, der stark für heimische Avantgardeprojekte eintritt - siehe Film ist von Gustav Deutsch oder Deanimated von Martin Arnold ...

Zawrel: Die Förderung dieser speziellen Projekte hing mit deren spezieller Berücksichtigung von Verwertbarkeiten zusammen und von einer Produktionsstruktur, die diese Verwertbarkeiten gewährleistet. Deanimated und Film ist wurden unter denselben Kriterien gefördert wie etwa Harald Sicheritz' Poppitz - eben weil sie auch die Branche stärken: mit Überlappungen in den Ausstellungsbereich, Vertrieb auf CD-ROM etc.

STANDARD: Um bei den wirtschaftlichen Effekten zu bleiben: Es scheint, dass der Filmstandort Wien, dessen Stärkung mit der Gründung des Wiener Filmfonds geplant war, mittlerweile im Vergleich zu boomenden osteuropäischen Locations wie Prag schwer ins Hintertreffen geraten ist.

Zawrel: Die Gründe dafür liegen in Versäumnissen begründet, die lange her sind: dem Ausverkauf der Wien Film etwa. 1994 war es immerhin noch möglich, Disney mit den Drei Musketieren hierher zu bringen, weil es Prag mit seinen heutigen Kapazitäten noch nicht gab. Aber mittlerweile ist wahrscheinlich auch für Prag der Boom schon wieder zu Ende, weil in Rumänien noch viel größere Studiokomplexe mit noch günstigeren Konditionen locken - weswegen sogar deutsche Studios wie Babelsberg vom Zusperren bedroht sind. Die Karawane zieht weiter. Und selbst 1994 hätte man diesen Trend aus Wiener Sicht mit hohen Investitionen bestenfalls verzögern können.

STANDARD: Es wurde aber lange Zeit gegenüber den Politikern immer wieder damit argumentiert, dass man verstärkt auch in den Filmstandort investieren müsste. War das kurzsichtig? Hatten die Politiker mit ihrer "Borniertheit" Recht?

Zawrel: In Deutschland wurde man zumindest nicht sehr glücklich, als das Gros der Gelder in amerikanische Projekte geflossen ist, die der nationalen Branche rein gar nichts gebracht haben. Was bei uns wirklich sinnvoll wäre: ein Steuerabschreibmodell nach Luxemburger Vorbild, das es den Produzenten ermöglicht, mit Standbeinen in anderen Ländern zu agieren - vorausgesetzt, es finden sich Banken, die da mitmachen.

Dass es derzeit bei den einschlägigen Instituten kein Verständnis gibt für diesen Bereich, liegt wohl daran, dass Film und Medien bei uns immer nur ein kulturelles Thema sind. Wenn eine Firma wie DoRo in Konkurs geht, wird darüber auf den Wirtschaftsseiten nicht in gebührender Ausführlichkeit berichtet. In anderen Ländern wäre das undenkbar. Und die wirtschaftlichen Entscheidungsträger nehmen deshalb Film und Medien nie wirklich wahr. Und das ist nur einer der Steine an den Beinen dieser Branche: Sie produziert kulturelle Güter - aber mit hoher wirtschaftlicher Relevanz, und das kommt nicht herüber.

STANDARD: Das heißt: Hinaus mit dem Film aus den heimischen Kulturressorts?

Zawrel: (lacht) Das wäre auch kontraproduktiv. Heimische Filmschaffende haben in den letzten Jahren derart inständig darum geworben, als Wirtschaftsfaktor ernst genommen zu werden, dass manche Politiker sie jetzt behandeln, als würden da nicht Filme, sondern Waschmaschinen produziert. Hierzulande geht eben manche Initiative nach hinten los.
(DER STANDARD, Printausgabe, 30.12.2002)