Coverfoto: Arista/BMG
Selbst wenn man sich im R'n'B so wohl fühlt wie eine Katze im Vollbad, lohnt es sich für TLC eine Ausnahme zu machen. Spätestens mit dem Mutmacher-Song "Unpretty" hatten die drei Damen, die seit ihrem 1994er Mega-Hit "Waterfalls" international auf roten Teppichen wandelten, auch bei hoffnungslosen Gutmensch-Sympathisanten einen Stein im Brett.

Und die Grundaussage von TLC ist auch ganz die alte geblieben: respektiere dich selbst, dann wird sich alles weitere finden. [Noch so ne Absurdität des amerikanischen Jugendschutzes, auf diese CD eine Warnung vor "Explicit lyrics" zu pflastern ...]. "Damaged" und "Turntable" tragen die Botschaft von "Unpretty" weiter - der Form nach als Pop-Balladen von relativ "weißem" Zuschnitt (wenn man so sagen darf), und natürlich auch was den Inhalt betrifft: "Damaged" ist das alte Lied von einer Beziehung, in der die Selbstachtung, die sie später speisen wird, noch zu kurz kommt. Doch es gibt Hoffnung: von nichts anderem handelt "Turntable", das gleichzeitig Lisa "Left Eye" Lopes gewidmet ist.

Einschnitt in der Bandgeschichte

Lopes starb im Sommer dieses Jahres bei einem Unfall und ließ Tionne "T-Boz" Watkins und Rozonda "Chilli" Thomas plötzlich als Duo zurück. Das geschah just zu einem Zeitpunkt, als die Band sich nach einer - nicht der ersten - Phase heftiger Turbulenzen, die nicht unwesentlich auf Lopes' Eskapaden zurückgegangen waren, wieder konsolidiert hatte. Die drei hatten nach längerer Pause und diversen Bandauflösungsgerüchten sogar wieder im Studio gestanden und ihr neues Album praktisch fertig gestellt: eben "3D".

... und das führte zum nicht alltäglichen Ergebnis eines Albums, das über weite Strecken als Tribute an die verstorbene Lisa bzw. als ihr Vermächtnis verstanden werden darf - und auf dem sie noch selbst zu hören ist ...

Von einem Album, das solcherart inhärent rückwärts gewandt ist, sollte man sich natürlich keine Sound-Revolution erwarten. Dabei hat der Lisa-Effekt nur verstärkt, was sich ohnehin bereits abgezeichnet hatte: Nach zehn überaus erfolgreichen Jahren konnten TLC es sich erlauben Bilanz zu ziehen. Während die Akzente im R'n'B heute von Missy Elliott und ihren auf die trockenen Knochen reduzierten Sounds gesetzt werden, lassen TLC auf "3D" ein Jahrzehnt R'n'B noch einmal Revue passieren. Dass die drei über dem Album-Logo monumental wie die Präsidentenköpfe am Mount Rushmore posieren, soll noch einmal die erreichte Größe demonstrieren.

Runde Sache

Tionne und Rozonda überließen nichts dem Zufall und behielten sich diesmal das letzte Wort in der Produktion vor. Wie gewohnt kooperierten sie dabei mit Dallas Austin und Rodney Jerkins, auf die der Löwenanteil der Songs auf "3D" entfällt - dazwischen aber auch mit den Neptunes und Missy Elliott nebst deren genialem Producer Timbaland (deren Beitrag "Dirty dirty" denn auch gewohnt überkandidelt ausgefallen ist; groß). Hervorzuheben zuletzt noch die unterkühlt vibrierende Schlussnummer "Give it to me while it's hot" ... wahrscheinlich der sexy Bond-Song, den Madonna gerne geschrieben hätte.

Ausgewogenheit ist vielleicht das bestimmende Vokabel für "3D", sowohl was den Anteil an Uptempo-, Midtempo-Stücken und Balladen als auch was den Gesang der drei betrifft. Und all das dient natürlich dazu, die Message von der Sisterhood zu tragen. Für die Frauen, für Lisa. Ob es ein Danach gibt? Wir werden sehen.

Whatever your dilemma baby
you'll learn:
life is worth it
watch the tables turn

... und angemessen spirituell und dennoch nicht religiös gehen wir ins neue Jahr. (Josefson)