Die letzte Chance für die SPÖ, das Ruder noch einmal herumzureißen, bietet die TV-Konfrontation mit Schüssel. Beide Kandidaten haben an dem Tag mit Gesundheitsproblemen zu kämpfen: Gusenbauer lässt sich wegen hohen Blutdrucks im Rudolfinerhaus untersuchen. Auch Schüssel zieht es wegen Halsschmerzen und Verkühlung in die Döblinger Nobelklinik. Die beiden Kontrahenten verpassen einander dort nur knapp.

"Ihr werdet sehen, das wird zäh", versucht Schüssel schon im Vorfeld die hohen Erwartungen zu bremsen. Tatsächlich wirkt der SP-Chef am Abend wie aufgedreht, während der Kanzler weit hinter seiner bisherigen Form bleibt. Seine Angriffe auf Gusenbauers Vergangenheit gehen ins Leere, als dieser mit "Jetzt blicken Sie mir in die Augen" und "Erzählen Sie keinen Lavendel" kontert.

In den nächsten Tagen steigt die Zahl der Unentschlossenen, der Abstand zur ÖVP schwindet. Doch Gusenbauer verspielt die Chance bei seinem "Pressestunde"-Auftritt am Sonntag danach, als er die fragenden Journalisten ähnlich aggressiv angeht wie zuvor Schüssel. Ab diesem Moment macht sich im SP-Wahlkampfteam Ernüchterung breit. "Die ÖVP lag seit Wochen voraus, und wir haben gemerkt, dass wir nicht mehr zulegen", sagt ein Parteimann. Nur Gusenbauer will es nicht wahrhaben, glaubt bis zuletzt an einen Sieg.

Bei der ÖVP läuft dagegen alles wie bestellt: Selbst mit der Festlegung auf ein bundesweites Tierschutzgesetz, die andere Parteien längst vollzogen hatten, kann sie dank Krone punkten. Die seit Wochen erwartete Unterstützungserklärung von Arnold Schwarzenegger trudelt erst Donnerstagabend aus Los Angeles ein, worauf Lopatka noch rasch Anzeigen mit Arnie-Porträt bucht. Auch auf den Abschlusskundgebungen am Freitag ist die Stimmung bei der ÖVP in Vösendorf euphorisch, bei der SPÖ im Gasometer gedämpft.(DER STANDARD, Printausgabe, 20.12.2002)