Brehm: Homefun, 199

Foto: Künstlerhaus

Dietmar Brehm, international renommierter Avantgardefilmer sowie aus dem Geist von Punk und Dada gespeister bildender Künstler, zeigt Werkschauen im Österreichischen Filmmuseum und im Wiener Künstlerhaus.


Wien - Der Zufall, der Bildwitz, Found Footage, die kalkulierten Fehler und Unschärfen: Charakteristiken der Arbeiten Dietmar Brehms. Machen die ihn zu einem Erben Dadas? Zum Meister der Selbstinszenierung sicherlich, mit Rock-'n'-Roll-Bekennertum und Hang zum Dilettantismus: "Ich male einfach so, wie man eine Türe lackiert." Keine aufgesetzte Künstlerpose: Es ist, was es ist. Und wenn dahinter noch was sein soll, dann kann es recht sein. In gewissen Sinne ein Erbe Warhols. Schau auf die Oberfläche meiner Bilder, schau auf Brehms Totenköpfe. Dahinter ist nichts. Na, vielleicht doch etwas.

Dem 1947 geborenen Linzer, einer singulären Erscheinung in der heimischen Künstlerlandschaft, können nur mindestens drei Schauen gerecht werden: Mit der Retrospektive von Brehms Filmen im Österreichischen Filmmuseum, mit der Filmdokumentation im von Alexander Horwath herausgegebenen Buch Party und mit der Ausstellung JOB im Künstlerhaus. Denn, so Brehm: "Manchmal suche ich einen Bleistift und finde die Filmkamera, während ich an einen Pinsel denke".

Brehm als bildender Künst- ler operiert an der Schnittstelle von Comic und Piktogramm: Zweidimensionale, oft ins Absurde oder Groteske gesteigerte Bildideen, am besten und geistreichsten in den kleinformatigen Vorzeichnungen. Schlicht und ergreifend auch Alarm, eine Addition der Notrufnummern von Feuer, Polizei und Rettung (399). Farben werden bei den logoartigen Malereien selten gemischt, die Begrenzungslinien sind schwarz und alles ist klar - wie bei Malen nach Zahlen in Kinderbüchern, die auch Warhol faszinierten. Die Motive der von der Popkultur kommenden Arbeiten, siehe Kenneth Anger, siehe Punk und New Wave, bekommen musikalischen Rhythmus in ihrer Serialität - so manches Bild stünde allein ziemlich verloren da.

Die Lust an der Bildzerstörung: Kalkulierte fantasiefördernde Unschärfen hingegen bei seinen "film stills" oder "still films", deren vergrößerte Kader er zu losen Bildgeschichten übereinanderreiht. Und das schon, bevor die Wackelästhetik bei kunstwerkenden New Yorker Ex-Junkies hip war.

Bei Zentrale, einer Found-Footage-Verwertung eines Pornos der 60er-Jahre über Impotenz, so Brehm im Filmbuch Party, "war das Material so schlecht, dass ich begeistert war. Ich stellte das Kameraobjektiv auf unscharf. So wurde der Impotenz-Film viel besser als scharf gefilmt." Die Mittel, auch beim Film, sind einfach. Brehm kapiert, dass nicht die bessere Technik den besseren Künstler macht. Das bewusste Abrüsten dient ihm, der sich nach eigenen Angaben besser in der ägyptischen Kunst auskennt als in der gegenwärtigen, zur "magischen Bildfindung".

Die Magie stammt zumindest bei den Bildern aus den 80ern, als Brehm mit Leinwandmalerei begann. Brehm entschleunigt bewusst. Als "Reaktion auf die MTV-Bildstürze" verwendet er gerne mal einen linearen Schwarzfilm, den er mit Musik unterlegt. Mit 16-mm-Material will Brehm weitermachen, bis hin zum Äußersten. Und verlangsamen, am Beispiel "zerdehnter Videoarbeiten". (DER STANDARD, Printausgabe, 16.12.2002)