Monolog einer Frau, die abrechnet, aber mit sich noch nicht abgeschlossen hat: Hannelore Elsner in "Mein letzter Film"

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Wem Oliver Hirschbiegel (noch) kein Begriff ist, dem sei gesagt: Von dem deutschen, in Wien lebenden Regisseur wird man noch oft hören. Nach dem Hit "Das Experiment" hat er nun mit Hannelore Elsner "Mein letzter Film" gedreht. Viel versprechende Projekte sind in Vorbereitung.


Wien - "Ich werde in der Form meines Lebens sein, und niemand sieht's." Man kann solche Sätze bitter in den Raum stellen oder trotzig, auf der Flucht zu sich selbst. Wenn die deutsche Schauspielerin Hannelore Elsner Letzteres unter dem Titel Mein letzter Film tut, noch dazu mit unüblichem Erfolg bei Publikum und Kritik - dann fragt man sich: Was läuft normalerweise falsch in der deutschen Film-und TV-Produktion?

"Wir haben uns mit dem Mut von Verzweifelten in dieses Projekt gestürzt", sagt Regisseur Oliver Hirschbiegel über den "Anreiz, etwas zu machen, das so noch nicht gemacht worden ist". Schon den kürzlich verstorbenen Schauspieler Klaus Löwitsch hatte er 1997 mit dem monologischen TV-Spiel Das Urteil kurzfristig aus den Image-Fängen von Peter Strohm und Co. gerettet. Auch Mein letzter Film hatte, auf Betreiben des Produzenten Hubertus Meyer-Burckhardt, als ein weiteres Solo für Löwitsch begonnen - bis der Autor Bodo Kirchhoff die Idee für eine Frau und im Speziellen eben für Hannelore Elsner weiterentwickelte.

Retrospektiv betrachtet ist Mein letzter Film nicht zuletzt ein Kulminationspunkt mehrerer Karrieren, die den Schwerkräften des deutschen Produktions-Mainstreams auf höchst kreative Weise entkommen. Kirchhoff etwa, der zuletzt mit Romuald Karmakar das ambitionierte Projekt Manila viel zu wenig bedankt realisierte, lernte Elsner als Autor für Serienfolgen von Die Kommissarin kennen. Die Schauspielerin wiederum, die sich auf ihrem Image als TV-Star nicht ausruht, machte zuletzt schon als Unberührbare unter der Regie von Oskar Roehler Furore. Oliver Hirsch-biegel wiederum, der zuletzt im Kinohit Das Experiment bestes Thrillerhandwerk mit intelligenten Referenzen auf Big Brother verband - er könnte es sich auch definitiv leichter machen. "Nur: Wie lange?"

"Drehbücher ohne Ende" habe er nach dem Experiment auf dem Tisch gehabt, erzählt der in Wien lebende, 1957 in Hamburg geborene Regisseur: "Thriller, Comedies, Genre-Dinger halt, Angebote auch aus den USA - und dieser Monolog war bestimmt der 70. Stoff, den ich mir, mittlerweile ziemlich schlecht gelaunt, zur Lektüre vornahm": die Erzählung und die Abrechnung einer Frau, die viel erreicht hat und doch um vieles betrogen worden ist, dargeboten vor einem Kameramann, der diese intimen Geständnisse vielleicht doch an einen TV-Sender weiterverkaufen wird.

Oliver Hirschbiegel erkannte beim Dreh "schon nach drei, vier Tagen, dass das den TV-Rahmen sprengen kann". Vor- her schon hatte er mit einigen rigiden Anweisungen "eine Freiheit in beengenden Verhältnissen" hergestellt, "um zu verhindern, dass das Ganze jemals ins Deutschstundenhafte, Theatralische abgleitet". "Wir haben den Film in Sequenzen von etwa fünf bis sechs Minuten eingeteilt: Hannelore musste den Text dafür immer erst kurz vorher einstudieren. Und der Kameramann Rainer Klausmann durfte bei unseren Stellproben noch nicht mit der Kamera dabei sein, damit er sich vor allem am Anfang eine gewisse Unbeholfenheit bewahrt."

Doch kein "Dogma"

Lagen da nicht Imitationen des dänischen Dogma-Handkameraprinzips nahe? Ja, meint Hirschbiegel, der anfangs sogar daran dachte, ähnlich wie Lars von Trier die Kamera permanent ohne Vorinformation auf das Set zu hetzen. "Aber das hätte letztlich formal zu viel Irritation geschaffen und letztlich vom Zentrum abgelenkt." Es ist tatsächlich Mut und Größe des Films zugleich, dem Wechselspiel zwischen Spontaneität und strenger Komposition nicht zu viel Freiraum zu geben und gleichzeitig mit so etwas wie "künstlerischer Handschrift" zugunsten erzählerischer Pragmatik in den Hintergrund zu treten.

"Mir schwebte immer ein ,französischer' Film vor", so Hirschbiegel, "eine Leichtigkeit, die jetzt die Sehnsüchte eines ,Volkes der Dichter und Denker' nicht forciert bedient." Der Regisseur, der niemals eine Filmschule besucht hat, sondern zuerst in Hamburg Malerei und Grafik bei Sigmar Polke studierte, nennt denn auch als großes Vorbild immer wieder Howard Hawks. "Meine Schule ist das amerikanische Kino."

Verwandt fühlt sich Hirsch-biegel darin etwa dem Münch-ner Filmemacher Dominik Graf. Und durchaus gangbar scheint ihm der Weg, den etwa Wolfgang Petersen nach ersten Erfolgen im Tatort und dann mit Das Boot eingeschlagen hat - auch in Richtung Hollywood. "Ich hatte zum Beispiel auch kein Problem damit, mehrere Folgen Kommissar Rex gemacht zu haben, ,straight commercial' und in der Tradition von Lassie und Flipper. Ich scheine immer wieder eine Aufgabe zu brauchen: sondieren, Ordnung schaffen, mit jedem Film, den man macht. Und dabei sind Kategorien wie U- oder E-Kultur eher uninteressant."

Hirschbiegel: "Intelligente Unterhaltung: Das gab's, als ich angefangen habe, als seriöse Chance im deutschen Sprachraum kaum. Darunter haben wohl auch Elsner und Löwitsch gelitten. Und vor dieser Beengung sind auch Leute wie Graf, Petersen und Roland Emmerich geflohen" - aus einer "Enge" heraus, die Oliver Hirschbiegel - etwa auch in Das Experiment - oft als szenisches Motiv beschwört. "Da entsteht wohl auch ein Druck, den ich brauche. Mein nächstes Projekt wird ein großer zeithistorischer Film. So viel können Sie schon schreiben: Es wird ganz verdammt eng werden!" (DER STANDARD, Printausgabe, 16.12.2002)