Foto: Omas
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Wie ein Bauchladenverkäufer präsentiert Thomas Glaue seine Ware in einem hölzernen Kästchen auf dem Kaffeehaustisch. Es handelt sich um Füllfederhalter aus Celluloid, Wurzelholz, pflanzlichem Harz, Gold, Silber sowie, weltweit einzigartig, aus massivem Titan. Glaue ist Generalimporteur der Produkte aus dem Hause Omas, was so viel heißt wie Officina Meccanica Armando Simoni.

Die Szenerie hat etwas Verbotenes, gleich Schmugglerware zückt Glaue den einen oder anderen Stift, reicht ihn zur Begutachtung. Verboten ist daran freilich gar nichts. Exklusiv trifft's besser. Obwohl Omas seit dem Jahre 2000 im Besitz der LVMH-Gruppe ist (Luxuskonzern Louis Vuitton Moët Hennessy), können die Produkte der 1925 in Bologna gegründeten Manufaktur keineswegs in pompösen Boutiquen, sondern lediglich in feinen Papeterien und bei Juwelieren erstanden werden. Aber nur wenn man gewillt ist, zwischen 400 und 40.000 Euro dafür hinzublättern. Gerechtfertigt wird diese Preispolitik durch lange Reifephasen mancher Werkstoffe sowie Bearbeitungsgänge, an deren Ende ein Produkt in der Hand des Kunden liegen soll, das bruchfest, temperatur- und druckbeständig, tintenresistent und manches mehr sein soll, vor allem aber topexklusiv. Noch immer werden bei Omas unzählige Arbeitsschritte händisch vorgenommen, damit die feinen Schreiberlinge auch im Temperaturspektrum von minus 40 bis plus 60 Grad ihren Dienst tun.

Als "kleine Schätze" bezeichnet Glaue seine Füllfedernschar, die es auf sage und schreibe 450 verschiedene Modelle bringt, darunter ist auch der einzige weiße Füller der Welt zu finden. Sogar dreieckige Schreibgeräte ruhen in erwähntem Kästchen. Diese scheinen auf den ersten Blick formal gewöhnungsbedürftig, sind jedoch auf den ersten Handgriff überraschend gut handzuhaben. Irgendwie nicht unlogisch, halten wir unsere Schreibgehilfen in der Regel ja mit drei Fingern. Besonderheiten über den italienischen Griffel gibt's aber noch mehr zu berichten: Omas-Füllfederhalter sind im New Yorker Museum of Modern Art zu finden, mit ihnen wurde unter anderem der Vertrag von Maastricht unterzeichnet und auch die Verträge bezüglich Hongkongs Rückführung nach China. Omas gestaltete Kollektionen für Ferrari, VW, die Europäische Kommission, die Nelson-Mandela-Kinderstiftung. Amüsanter Bestandteil der großen Produktfamilie ist der so genannte "Doctor's Pen", in dessen Hinterteil sich ein zartes Fieberthermometer versteckt. Jenseits des Bic-Kulis sind sie alle, daran lässt sich nicht rütteln. An den Preisen leider auch nicht.

Und schon gar nicht an den traditionellen Arbeitstechniken. Besonders eigen hört sich die Füllerwerdung der klassischen Art-déco-Füller aus Celluloid an. Der erste thermoplastische Kunststoff aus den 20er-Jahren war ein heißes Thema bezüglich Verarbeitung, was viele Unternehmen nach Erfindung neuer Materialien auf diese umsteigen ließ. Immerhin musste sogar das explosive Glyzerin in den Produktionsgang integriert werden. Omas blieb dem Werkstoff ergeben. Eigenschaften wie extreme Leichtigkeit, Unzerbrechlichkeit, angenehme Haptik waren der Grund für dieses Treuegelübde.

300 Tage ziehen ins Land, ehe ein Füller seinen letzten Schliff erhält. Lang vorher wird aus einem Block Celluloid ein Stück herausgeschnitten. Das Basismaterial besteht aus Glyzerin, Blei und Kampfer. Kappe und Schaft werden aus dem Stück herausgedreht und gefräst. In der Rohform wird das Material danach in Öfen bei 55 Grad künstlich gealtert, gegen "Ver- schrumpfung" gesichert und haltbar gemacht. Das Innenleben der Füller besteht aus einem kapsellosen Kolbenmechanismus, Ebonit-Tintenleitern und einer 18-karätigen Goldfeder. Auch der letzte Arbeitsschritt wird zu 100 Prozent manuell ausgeführt. Bei diesem wird das noch stumpfe Celluloid blitzblank poliert. Und dabei darf keine Sekunde zu lang gerubbelt werden, da sonst die markante achteckige Grundform des Füllhalters in einer Kurve endet. Pikantes Detail zum Schluss: Je nach Lichteinfall verändern die Einschlüsse im Material die Farbgebung. Dadurch wird der Celluloid-Schreiber zum Unikat.

Und als solcher ist er auch im Versandkatalog Manufactum zu finden. Für Glaue ist der Katalog besonders als "Werbeträger" eine nicht zu unterschätzende Erscheinung, blättern doch bis zu 800.000 Leute in dem Verzeichnis nostalgischer Objekte.

Und während der Herr aus Deutschland von seinen schreibenden Schützlingen schwärmt, leuchtet im Hintergrund die markante Schneeflocke am Firmenschild der Mont-Blanc-Boutique am Wiener Graben über Glaues Schulter. Das stört ihn wenig, er möchte sich mit seinen Schreibern von der Konkurrenz absetzen und sie mit aller Kraft an die Spitze der Exklusivität bugsieren. Marketingblasen aufzupumpen interessiere ihn schon gar nicht, da zückt er doch lieber sein feinstes und neuestes Stück, die Edelfeder Da Vinci, von der 100 Stück in Gold, 1000 Exemplare in Silber bis zum kommenden Herbst gefertigt werden. Einige Tausend Euro wird sie kosten, und das liegt nicht nur an den Materialien, sondern auch an den Vorlagen, die Glaue in Kopie zückt und die vom Meister da Vinci selbst stammen. Schließlich habe bereits der Meister selbst am allerersten Füller getüftelt, die "Software" war, so Glaue, eine Mischung aus Olivenöl und Beerensaft.

Von derlei exklusiven Füllmaterialien sieht man bei Omas ab, aber limitierte Editionen in China-Rot, Triratna-Orange sind zeitweilig schon zu haben. Auch damit soll gewährleistet werden, dass nicht alle Schriftspuren unterm Strich gleich aussehen. (DER STANDARD/rondo/Michael Hausenblas/13/12/02)