Wien - Die SPÖ hat kein "arisiertes Vermögen" besessen: Zu
diesem Schluss kommen nun die Historiker Maria Mesner, Margit Reiter
und Theo Venus vom Institut für Zeitgeschichte in Wien, die im
Auftrag der Sozialdemokraten den Bericht "Vermögensentzug und
Restitution im Bereich der SDAP/SPÖ. 1934/1945ff" erstellt haben. Im
Raum stand die Behauptung, dass die SPÖ, als sie den parteieigenen
Vorwärts-Verlag zurück erhielt, wider besseres Wissen auch die
Druckmaschinen jener Unternehmen übernommen hat, die von den Nazis in
den Großverlag eingegliedert worden waren. Das lasse sich nun jedoch
"mit ziemlicher Sicherheit ausschließen", wird Mesner in der jüngsten
Ausgabe der Wiener Stadtzeitung "Falter" zitiert.
Machtposition bei Rückgabe von geraubtem Vermögen ausgenutzt
Ein für die SPÖ weniger erfreuliches Ergebnis ist dagegen, dass
die Sozialdemokraten bei der Restitution geraubten Vermögens stets
mit zweierlei Maß gemessen haben, so das Ergebnis der Historiker.
Zwar hätten auch sie nicht das gesamte beschlagnahmte Parteigut
refundiert bekommen, seien aber allemal besser als jüdische
Geschädigte ausgestiegen. Die SPÖ habe "ihre Machtposition bei der
Rückgabe des Parteivermögens" ausgenützt, schreiben Mesner, Reiter
und Venus. So habe sich die SPÖ mit dem zweiten Rückgabegesetz 1949
"Ansprüche gesichert, die den einzelnen, vor allem jüdischen
NS-Opfern im Rahmen der Rückstellungsgesetzgebung niemals zugestanden
wurden" und "die Restitution an die jüdischen Opfer oft verzögert,
wenn sie ihre eigenen Ansprüche bedroht sah".
Der Studie wird übrigens von der Historikerin Brigitte
Bailer-Galanda, sie ist Mitglied der österreichischen
Historikerkommission, bescheinigt, "sauber, korrekt und kritisch" zu
sein. Sonst sei man bei "Auftragsarbeiten von Parteien ja anderes
gewöhnt". Anders das Urteil des Geschichtswissenschafters Peter
Böhmer, der einige Berichte für die Historikerkommission verfasst
hat: "Der Bericht ist scheinobjektiv und tendenziös. Er bietet kein
rundes Gesamtbild der Rolle der SPÖ bei der Restitution."
Zweiter Report im Oktober 2004
Die Aufarbeitung der "braunen Flecken" in der SPÖ ist mit dem nun
vorliegenden Bericht noch nicht beendet. Ein zweiter Report wird sich
mit den "Personellen Kontinuitäten 1934-1938-1945ff"
auseinandersetzen. Er soll im Oktober 2004 fertig gestellt sein. Zwei
weitere Studien werden sich mit dem Bund Sozialistischer Akademiker
(BSA), der dem ehemaligen NS-Arzt Heinrich Gross als Sprungbrett
gedient hatte, beziehungsweise mit dem Thema "Wiedergutreden.
Politische Rhetorik und 'NS-Frage' in Österreich" auseinander setzen.
Für diese Nabelschau bringt die SPÖ insgesamt rund 200.000 Euro auf.
Gusenbauer will "schonungslosen Blick" auf die Vergangenheit
SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer wünscht sich laut "Falter" "einen
schonungslosen Blick auf die Vergangenheit und Gegenwart der SPÖ": Am
Ende des Aufarbeitungsprozesses will er die Ergebnisse in einem
wissenschaftlichen Symposium bewerten lassen. Ein Schlussstrich unter
die Vergangenheit solle damit aber nicht gezogen werden, so Karl
Duffek, Chef des Renner-Instituts, der SPÖ-Parteiakademie.
Am Anfang des Aufarbeitungsprozesses, dessen erstes Ergebnis nun
in schriftlicher Form vorliegt, stand im April 2000 eine öffentliche
Erklärung Gusenbauers. Damals hatte er erklärt: "Wir bedauern unsere
Fehler zutiefst und bitten die dadurch verletzten Überlebenden und
die Angehörigen der Opfer um Entschuldigung." (APA)