Low
Trust
(Rough Trade/Zomba)

Foto: Rough Trade/Zomba
Das US-Trio Low versucht sich auf "Trust" an einer weltlichen Form alter Kirchenlieder. Neben Tod und Verdammnis geht es hier allerdings auch darum, wie es klingt, wenn man Kurt Cobain in Zeitlupe ins Nirvana jagt. Wenn sie diese CD ins Rohr schieben, sollten Sie sich für den restlichen Tag nicht mehr viel vornehmen. Langsam ist nämlich nur ein sich der ganzen Angelegenheit vorsichtig nähernder Hilfsausdruck für diese Musik. Das US-Trio Low produziert seit 1994 nicht nur eine sich doch erheblich beschwerlich und zeitlupenhaft durch die Songs schleppende Kunst, die man mit vergleichbaren Bands wie Codeine, Slint und Galaxie 500 oder bekannteren Modellen wie den Cowboy Junkies und Mazzy Star einst in einer begrifflichen Abwandlung von Hardcore als das Genre des "Slowcore" definierte. Eingedenk der Tatsache, dass nichts leichter ist, als schnelle Punk-Songs herunterzuprügeln, und die tatsächliche musikalische Herausforderung darin begründet liegt, sich als Künstler in seinen Stücken sowohl von der Geschwindigkeit als auch vom Ausdruck her möglichst zurückzunehmen, sind Low dabei mit Veröffentlichungen wie Songs For A Dead Pilot , Things We Lost In The Fire oder Secret Name dabei die in diesem Kontext vielleicht bemerkenswertesten Ergebnisse geglückt.
Foto: Rough Trade/Zomba
Low aus Duluth, Minnesota, zählen im Bereich der musikalischen langsamkeit zu den radikalsten Vertretern im Music-Bereich
Gemeinsam mit Bassist Zak Sally fertigt das Ehepaar Alan Sparhawk (Gitarre, Gesang) und Mimi Parker (Schlagzeug, Gesang) dabei trotz all ihrer Spröde und spartanischen Sparsamkeit sowohl von der meist ohne Effekte außer dem Hallgerät auskommenden Instrumentierung her wie auch dem Aufreißen weiter, uferloser und sehr, sehr stiller Klangräume herzergreifende Hymnen. Etwa den sich nicht umsonst auf den alten christlichen Erbauungsklassiker Amazing Grace beziehenden aktuellen Album-Eröffnungstitel (That's How You Sing) Amazing Grace . Und auch Titel wie der siebenminütige Friedhofsschleicher The Lamb oder der für Lows Verhältnisse superoptimistische Sixties-Pop-Phil-Spector-Gospel Last Snowstorm Of The Year mit seiner hübschen Eröffnungszeile "When we were young we wanted to die ..." erinnert so wie Point Of Disgust oder Time Is The Diamond an alte Kirchenlieder. Neben mittlerweile neun Studioalben weisen hier vor allem die wunderbaren Weihnachtslieder von Christmas aus 1999 ( Little Drummer Boy , Silent Night ... ) darauf hin, dass bei Low die Kirche im Dorf bleibt. Denn was hier seit neun Studioalben immer wieder um die zentralen Themen Leben, Tod, Verdammnis und Drogen kreist, will irgendwann auch aus dieser Spirale des Schreckens erlöst werden. So bekennen sich Sparhawk und Parker nicht nur in Interviews zu einer doch recht fundamentalistischen Sicht des Christentums. Auch die neuen Songs von Trust erinnern mit einer Ausnahme, dem für Lows Verhältnisse geradezu unerbittlich statt in Schrittgeschwindigkeit bei wagemutigen 40 km/h rockenden Stampfer Canada , an den Stil alter Gospel-Songs. Der warme, sich sanft über Gitarren-Gezirpe, fallweise verzerrte E-Gitarren, Orgel, minimalen Bass und noch rudimentäreres Schlagzeug legende zweistimmige Gesang zählt zum Eindringlichsten, was dieses Jahr produziert wurde. Vor allem Mimi Parker und ihre herzergreifend zitternde Altstimme kommen unter der Produktionsregie von Tchad Blake (Paul McCartney, Los Lobos, Tom Waits ...) endlich voll zur Geltung. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.12.2002)