Wien - Schuss - Gegenschuss: So beginnt eine Liebesgeschichte, die die Republik noch in Atem halten wird. Im Gefängnis sieht ein junger Mann, wegen Autodiebstahls inhaftiert, einen Bericht über die Studentendemonstrationen während des Schahbesuchs 1967 in Berlin. Eine Großaufnahme einer jungen Demonstrantin, eine Großaufnahme des jungen Manns, zwei, die sich in die Augen sehen - so werden im Kino Beziehungen begründet.
In der darauf folgenden Szene ist bereits verbunden, was zuvor noch in zwei verschiedenen Sphären getrennt existierte, der Betrachter und die Betrachtete haben sich in einer Kneipe mit Gleichgesinnten zusammengefunden: "Es muss auf die Fresse geben!" - dafür erntet der junge Mann einen bewundernden Blick, kurz darauf haben Gudrun Ensslin (Laura Tonke), die die knappesten Miniröcke trägt, und Andreas Baader (Frank Giering) ihr erstes Date. "Du bist toll", sagt Ensslin zu Baader.
25 Jahre nach ihrem Tod im Hochsicherheitstrakt von Stammheim sind "Hans" und "Grete" (so die Decknamen des Paares) nun also im Popstarhimmel angekommen: Christopher Roths Spielfilm Baader, auf der Berlinale uraufgeführt und jetzt auch in den heimischen Kinos zu sehen, behandelt die Zeitspanne von 1967 bis 1972, dem Jahr der Verhaftung der maßgeblichen RAF-Mitglieder.
Die zeitliche Verschachtelung der Erzählung bleibt dabei ebenso wie die konstruierte Parallel- und Zusammenführung von Baader und dem Ermittler Krone (Vadim Glowna) ein bemühter Kunstgriff. Schon die Titelsequenz setzt dagegen auf die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten der Montage. Archivmaterial wird mit Spielfilmbildern verschnitten und übrig bleibt ein fescher Bilderbrei.
Denn Baader ist vor allem eine Sammlung von Posen und Phrasen. Zum Teil wirkt er wie das Set einer Modefotostrecke, für die ein findiger Redakteur das Thema "Terrorist Chic" ausgegeben hat. Die gelangweilten oder übermüdeten Models warten aufs nächste Kommando und tun inzwischen ein bisschen so als ob. Die Ebene, auf der sich Fakten und Fiktion treffen, ist ganz Oberfläche - sogar die Selbstwahrnehmung der Akteurinnen und Akteure ist im Film der medialen Vermittlung geschuldet: Nachgestellte Nachrichtensendungen oder Zeitungsschlagzeilen sind allgegenwärtig. Das Potenzial solcher Konstruktionen - wie auch der Kunstsprache, die hier vorherrscht - vernachlässigt Baader zugunsten einer Inszenierung von gefälligen Schauwerten.
Der Film erzählt also von einem angry young man, von Gefängnisaufenthalten und Autofahrten, vom Rumsitzen, gruppendynamischen Konflikten oder einem Trainingslager in Nahost. Dazwischen gibt es ein wenig Aktionismus - ein paar Banküberfälle, ein paar Sprengsätze, die detonieren. Dem Baader-Mythos vom Macho wird ausgiebig Raum gegeben. Politik erscheint allenfalls als ein Versatzstück mehr neben Sonnenbrillen, Autos oder Lederjacken.
Lustigerweise behält der Film wohl gerade wegen seines Gestus eines "alles geht mit allem irgendwie zusammen" eine rudimentäre Anschlussfähigkeit zur (Zeit-) Geschichte. Unter den spärlichen biografischen Hintergrundinformationen taucht ausgerechnet ein Verweis auf Ulrike Meinhofs Kopfoperation auf - ein Umstand, dessen Folgen erst jüngst Kontroversen nach sich zogen.