Bild nicht mehr verfügbar.

Der norwegische Rechtspopulist Carl Ivar Hagen

Foto: REUTERS

(Zum Vergrößern)

Grafik: Der Standard

Bild nicht mehr verfügbar.

Andrzej Lepper, der Chef der rabiaten polnischen Rechtspopulistenpartei "Selbstverteidigung", ist ein scharfer Gegner des Beitritts zur Euriopäischen Union.

Foto: REUTERS/Konrad Stawicki
Die stärkste rechtspopulistische Partei Westeuropas, die FPÖ, hat sich jetzt selbst in die Luft gesprengt. Die Sensationssiegerin der letzten Wahlen in den Niederlanden, die rechtspo-pulistische Partei des ermordeten Pim Fortuyn, hat nicht einmal ein paar Monate in der Regierung überlebt. Also: das Ende des Rechtspopulismus in Europa? Langsam, langsam: In der Schweiz könnte die SVP des Charles Blocher demnächst stärkste Partei werden, in Norwegen ist die "Hagen-Partei" (nach ihrem Gründer) zweitstärkste; in Dänemark hält die "Dänische Volkspartei" das Schicksal der konservativen Regierung in der Hand - und in Italien "regieren die Rechtspopulisten erfolgreich und lösen dabei die Institutionen des Rechtsstaates auf", sagte der Italien-Korrespondent der Hamburger Zeit, Ulrich Ladurner, bei einem Workshop des Renner-Instituts in Wien. "Berlusconi steht für die Auflösung des Staates in seinem persönlichen Interesse." "Der Rechtspopulismus in Europa ist zwiespältig", diagnostiziert auch der Politikwissenschafter Prof. Hans-Georg Betz von der Universität Genf bei diesem Workshop. "In der Schweiz und in Italien ist er erfolgreich, anderswo nicht mehr." Aber Letzteres ist nach Ansicht der Wiener Politikwissenschafterin Sieglinde Rosenberger kein Grund zur Entwarnung: "Dadurch dass der Rechtspopulismus von den Konservativen ins Boot geholt wurde, sind in Dänemark, Norwegen, Italien, Österreich und den Niederlanden die Mitte-links-Regierungen abgelöst worden. Die Bedeutung des Rechtspopulismus liegt im Wandel von Mitte-links zu Mitte-rechts." Sobald die Rechtspopulisten in der Regierung seien, zeige sich, dass sie sich nicht zum Regieren eignen. Die Konservativen treten dann sozusagen das Erbe an. In den Niederlanden würden die Christdemokraten die Fortuyn-Partei beerben - wie in Österreich die ÖVP die FPÖ. In der Schweiz überlegt man, Blocher persönlich in die (Allparteien-)Regierung zu holen, um ihn zu "zähmen". Das große Thema des Rechtspopulismus ist die Identitätsfrage, darüber war man sich an diesem Wochenende auch bei einer Diskussion des "Instituts für die Wissenschaften vom Menschen" über "Die Fremden als Herausforderung für die Demokratie" einig. Der Amsterdamer Autor und Soziologe Paul Scheffer billigt dem Rechtspopulismus zu, zu einer Beschäftigung mit der Frage gezwungen zu haben. Der ehemalige CDU-Ministerpräsident von Sachsen, Kurt Biedenkopf, beklagte, dass sich "die Deutschen weigern, über unsere eigene Identität zu reden". Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei, aber an die Einwanderer sei auch der Anspruch zu stellen, die "Grundspielregeln der Bürgergesellschaft einzuhalten". Es könne etwa keine strikte Anwendung des islamischen Gesetzes in unserer Kulturlandschaft geben. Der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny hielt dem die Notwendigkeit zur Toleranz entgegen - nach seinen persönlichen Erfahrungen im Wahlkampf seien die Vorurteile gegen Ausländer ungebrochen. Es gehe darum, die Diversität der modernen Gesellschaft anzuerkennen und gleichzeitig eine "sachte Politik der Integration zu betreiben". Aber Paul Scheffer und Biedenkopf waren sich einig: "Diversität ist kein Wert an sich. Eine gemeinsame Basis muss jeder anerkennen - die Vielfalt kann nicht bis zur Wurzel gehen." (DER STANDARD, Printausgabe, 2.12.2002)