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Sein Name ist Legende. Und diese Legende besagt, dass sein geistiger Vater, der britische Romanautor Ian Fleming, anno 1952 auf der Suche nach einer Identität für seinen neuen Helden auf einen gewissen James Bond gestoßen war, einen US-amerikanischen Vogelkundler, dessen Standardwerk "Birds of The West Indies" sich in Flemings Arbeitszimmer fand. Ein Bezug zur Realität, der dem weltberühmten Namensvetter, der längst ein Eigenleben führt, heute allenfalls zur vorübergehenden Tarnung dient: als Ornithologe stellt sich Bond in seinem jüngsten Abenteuer seinem x-ten Bond-Girl vor. Überhaupt haben fiktive Biografien so ihre Vorteile. James Bond, der - seit er es 1962 erstmals zu Kinoehren brachte - wahlweise so aussieht wie Sean Connery, George Lazenby, Roger Moore, Timothy Dalton oder Pierce Brosnan, ist etwa gegen ganz normale menschliche Verfallserscheinungen bestens gefeit: Während seine Darsteller der Reihe nach in Ehren ergrauen, hat sich James Bond, der Agent mit der Seriennummer 007, auf der Leinwand in vierzig Jahren allenfalls vom Mittdreißiger zum Mittvierziger gewandelt. Irgendwie durchlebt 007 also seit Jahrzehnten eine Art persönlichen Groundhog Day: Mit jedem Film wiederholt sich die erzählerische Struktur, die vom stets spektakulären Vorspiel zum stets vergeblichen Versuch, sich mit einer schönen Geliebten aus dem mühevollen Berufsleben als Superspion auszuklinken, reicht. Dazwischen pflegt der smarte Brite noch einige andere persönliche Vorlieben. Von seinem bevorzugten Getränk (jetzt alle: "Geschüttelt, nicht ge...!") einmal abgesehen, steht sein Name vor allem für einen bestimmten Lifestyle. Den hat er stellvertretend für den männlichen Rest der Menschheit mindestens aus den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts herübergerettet, als der Jetset noch eine ernste Angelegenheit war und der "Playboy" noch zählte. Ein Role-Model, dem sich der Agent - sieht man von einer kurzen, abrupt beendeten Ehe mit Diana Rigg alias Tracy Draco in On Her Majesty's Secret Service anno 1969 ab - immer noch verpflichtet fühlt und zu dem teure Autos und andere State-of-the-Art-High-tech-Spielzeuge gehören. Diesen Lifestyle muss James Bond ob seiner offensichtlich global wirksamen Attraktivität inzwischen als Werbeträger auch verkaufen. Aus dem einstigen Neben- erwerb von 007 ist längst sein Kerngeschäft geworden. Und die Filme werden mittlerweile gerne mit einem Franchise-Unternehmen verglichen, dessen Expansionsbestrebungen noch lange nicht abgeschlossen sein dürften. Es wäre also - auch angesichts steigenden Pensionsantrittsalters und verlängerter Lebensarbeitszeit - ein Wunder, wenn sich James Bond in absehbarer Zeit zur Ruhe setzen könnte. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.11.2002)