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Unabhängig vom Ausgang des „Wettstreits“ zwischen Bulle und Bär um die Vorherrschaft an den Börsen – nach Meinung des Autors (be)herrscht noch immer und auch künftig der Bär, aber das soll keinesfalls die Freude über durchschnittlich satte 20 Prozent Kursgewinn an den internationalen Finanzmärkten seit Anfang Oktober schmälern, geschweige denn die auf Basis des unverändert überverkauften Status intakte Aussicht auf eine selbst bis Jahresende andauernde Kurs-Rally verderben – sind etliche Anzeichen einer Gesundung vor allem in jenen Branchen festzustellen, die Auslöser wie auch Nutznießer der letztendlich in jedem Fall verhängnisvollen Spekulationsblase und damit beispiellosen Geldvernichtungsmaschinerie der letzten zweieinhalb Jahre waren. Dazu zählen die Investmentbanken und ihre Analysten(Research)abteilungen, respektive deren zum Teil nicht ganz freiwilligen Versuche, diesbezüglich für Transparenz und Unabhängigkeit zu sorgen. Von Arten... In der Aktien-Analyse wird zwischen Sell-side und Buy-side research unterschieden. Das Buy-side research erstellt längerfristig ausgerichtete Studien mit Empfehlungen für die Anlageberater und ihre institutionellen und privaten Kunden sowie für externe Vermögensberater. Die Sell-side-Analyse hingegen ist eine Unterstützung für Kapitalmarkttransaktionen wie Börsengänge, Fusionen und Akquisitionen, aber auch Kapitalerhöhungen. Die dem Sell-side research angehängten Broker empfehlen ihrer institutionellen Kundschaft Geschäfte, die auf Sell-side-Analysen basieren. Im Zentrum der amerikanischen Untersuchungen steht der Vorwurf, dass das Sell-side research nicht objektiv erstellt werde. In einigen Fällen erhielten Analysten Titel aus Börsenöffnungen als Teil der Entschädigung für die begleitende Einschätzung. Strömungen... Einzelne Stimmen wie beispielsweise die des einflußreichen New Yorker Generalstaatsanwalts Eliot Spitzer verlangen die vollständige Abtrennung des Research sowohl von der Investmentbank als auch vom Brokerage. Andere Stimmen wiederum entgegnen, daß ein solches Modell zwar die Interessenkonflikte lösen würde. Es müßte aber finanziell selbsttragend sein, und das sei nur sehr schwer vorstellbar. Zudem sei die Zusammenarbeit zwischen Brokerage und Research historisch gewachsen und mache auch Sinn. Abgesehen von den hohen Kosten, die vollkommen losgelöste, eigenständige Analyse-Unternehmungen verursachen würden, verbleiben ebenso leise bis laute Zweifel, ob selbst die in einer solchen Konstellation erstellten Analysen ob der nicht zu verhindernden inoffiziellen Aus- und Absprachen wirklich völlig unabhängig wären. Sinnfragen... Jedenfalls ist die Antwort auf die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Finanzanalys(t)en wie fast alles im Leben nicht eindeutig mit „ja“ oder „nein“ zu beantworten. Einerseits sind qualitativ einwandfreie Unternehmensstudien sicherlich eine sinnvolle Hilfe, um die zahlenmäßigen „Innereien“ von börsennotierten Gesellschaften besser zu verstehen. Daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, und auf Basis dessen den individuell möglichst profitabelste Entscheidung zu fällen, stehe aber auf einem ganz anderem Blatt. Nehmen Sie als Beispiel in der abgelaufenen Woche die Veröffentlichung eines nicht ganz kleinen Abschreibers im Ausmaß von 1,4 Milliarden US-Dollar der ebenso nicht ganz kleinen General Electric (GE) im Zusammenhang mit der Tochtergesellschaft im Rahmen der Angestellten-Versicherung. Nicht alle, aber etliche Wallstreet-Analysten hatten dies korrekt vorhergesagt und auf die daraus resultieren Kursrisiken hingewiesen. Doch was passierte? GE stieg um enorme 8,27 Prozent am selben Tag an! Und dies passiert nicht nur an der Wallstreet, sondern auch „uns“ ständig – die Analyse oder die dazugehörige Information hat gestimmt, der Schluß daraus jedoch nicht. Gerade heutzutage im Zeitalter der nahezu vollkommenen Information sind etliche „News“ zum einen rasch im jeweiligen Kurs absorbiert. Zum anderen sind vor dem Hintergrund der massiven Kursrückgänge oftmals schon schlimmere Auswirkungen von nachteiligen Nachrichten enthalten, wie eben auch im Falle von GE. ...zum Ziel und der (Selbst)Erkenntnis Ziel ist und muß es für die Finanzindustrie sein, eine unabhängige Analyse börsennotierter Unternehmen zu gewährleisten und die Interessenkonflikte der Analysten einzugrenzen. Damit wären zumindest die Rahmenbedingungen für eine unabhängige Analyse gelegt. Entscheidender ist und bleibt aber, wie die Trennung gelebt wird: Nur wenn ein Finanzinstitut in diesem Bereich vollständig transparent ist, kann auch Vertrauen zurückgewonnen werden. Investoren sollten sich zu jeder Zeit bewußt sein, dass Bankanalysten im Sold ihrer Institute stehen und ihre Studien einen Beitrag zur Abwicklung ertragbringender Bankgeschäfte leisten müssen. Deswegen verbleibt für Anleger der schwierige, aber unvermeidliche (Ent)Schluß: „Ja“ im bezug auf das Lesen und Durchforsten von Finanz-Analysen, „Nein“ zu der vor allem vorbehaltlose An- und Übernahme von Analys(t)enurteilen sowie der(en) Festsetzung von Kurszielen. Nachlese --> Börsen vor "Happy Wende" --> Wenn der Zauber nicht wirkt --> Contrariens unter der Lupe --> Börsencrash revisited --> Jim Rogers küsst wieder in Wien --> Bush, Greenspan, Bin Laden ... --> Zum Verkaufen zu spät, zum Kaufen zu früh --> Japan ist einen Börsenblick wert --> Wie sicher sind Versicherungsaktien? --> Droht ein neuer Ölpreisschock? --> Schieß’ nicht auf den Analysten! --> Shares kann go down! --> Out: Börsengurus ! In: Börsengurus ! --> Über weinpredigende Contrarians und wasserkochende Institutionelle --> US-Zinsen, bitte steigen! --> Buy high, sell low......! --> Wieviel sind 3.500 Milliarden Dollar? --> Quo Vadis Börse? --> Wieder Ordnung an der Fußballbörse --> Auf Resignation naht die Wende --> Jede schlechte Nachricht hat ihr Gutes --> Hört die Deflations-Signale