Wirtschaft
EU-Kommission verklagt Tabakkonzern wegen Geldwäsche
Hinweis auf die Irak-Verbindung
Brüssel - Die Europäische Union hat ihre Vorwürfe
illegaler Machenschaften von US-Tabakkonzernen mit einer
spektakulären Geldwäsche-Klage gegen den zweitgrößten
US-Zigarettenhersteller R.J.Reynolds ("Camel", "Winston") verstärkt.
Zehn EU-Staaten, darunter Deutschland, hätten sich der Klage vor
einem Gericht in New York angeschlossen, teilte die Brüsseler Behörde
am Donnerstag mit. In der Klageschrift hält die EU dem Unternehmen auch Geschäfte mit
der Mafia und dem Sohn des irakischen Diktators Saddam Hussein, Udai,
vor. Die EU-Kommission bestätigte in Brüssel die Einreichung der
Klage, schwieg jedoch zu Einzelheiten der dort formulierten Vorwürfe.
Irak-Verbindung
Aus Kreisen, die unmittelbar an dem Verfahren beteiligt sind,
wurde der Hinweis auf die Irak-Verbindung jedoch bestätigt. Die EU
beschuldige Reynolds, Lieferungen dorthin arrangiert zu haben. Die
Transporte seien auch über EU-Mitgliedsländer gelaufen, damit sei
auch die EU zum Ort dieser Straftaten geworden. Mit ihrer Klage, die
in erster Linie auf Unterlassung abzielt, wollten die Europäer dies
unterbinden, hieß es. Die Anschuldigungen würden durch Dokumente und
Zeugenberichte untermauert.
Dem Tabakkonzern wird nach diesen Informationen vorgeworfen, in
großem Stil und wissentlich Zigaretten an Kunden verkauft zu haben,
die den Kauf nur zum Zweck der Geldwäsche vornahmen. So habe zum
Beispiel die italienische Mafia Geld aus illegalen Geschäften in den
Kauf von Zigaretten investiert. Bezahlt worden sei über einen
bekannten Geldwäscher in der Schweiz. Involviert sei auch die
russische Mafia.
Milo Djukanovic namentlich erwähnt
Auch der Präsident der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro,
Milo Djukanovic, werde namentlich erwähnt. Montenegro sei eines der
Gebiete, durch die der illegale Zigarettenverkauf laufe. Erwähnt
würden auch die Schweiz, Panama und Zypern. Das "gewaschene" Geld der
Käufer fließe in der Regel über dieselben Länder an Reynolds.
Nach US-Recht sei der Straftatbestand der Geldwäsche schon dann
erfüllt, wenn Geld aus illegalen Geschäften in Umlauf gebracht oder
im Umlauf gehalten werden, erläuterten mit dem Fall vertraute
Fachleute. Verantwortung sei nicht erst gegeben, wenn der Betroffene
von der illegalen Herkunft weiß, sondern wenn er sie "billigend in
Kauf nimmt". Zur Verantwortung von Reynolds hieß es: "Die haben alles
gewusst". Die Praktiken dauerten bis heute an.
Zigarettenschmuggel vorgeworfen
Schon seit langem wirft die EU US-Zigarettenherstellern vor, sie
beteiligten sich wissentlich am Zigarettenschmuggel in Europa.
Dadurch entstünden EU-Mitgliedstaaten Zollausfälle in Milliardenhöhe.
Mit einer Klage gegen Reynolds, Philip Morris und Japan Tobacco auf
Schadenersatz wegen des Schmuggels war die EU jedoch Anfang des
Jahres in New York gescheitert. Das Gericht befand, nach US-Recht sei
es nicht dafür zuständig, Zollforderungen anderer Staaten
durchzusetzen.
Eine Beurteilung des damals schon erhobenen Geldwäsche-Vorwurfs
ließ das Gericht jedoch offen, so dass die EU nun diesen Weg
beschreitet. "Es geht hier nicht um den Schmuggel", betonte ein
Experte. Die Klagevorwürfe beträfen Vorgänge, die nach US-Recht
strafbar seien. Außerdem machten die europäischen Kläger einen - noch
nicht bezifferten - Schaden geltend, der durch die Verdeckung von
Verbrechen wie Drogen- und Waffenhandel in ihren eigenen Ländern
entstehe. Die EU habe sich entschlossen, nunmehr nicht mehrere
Unternehmen gemeinsam zu verklagen, sondern einzeln. Die Beweise
gegen Reynolds seien so klar, dass die Klage jetzt eingereicht werden
konnte, erläuterten Fachleute.
Von R.J.Reynolds lag bis zum Nachmittag keine Stellungnahme vor.(APA/dpa)