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Aki Kaurismäki

Foto: APA/dpa/ Langenstrassen
Foto: Viennale

Mies vailla menneisyyttä / The Man Without a Past
22.10., 24.00 G
23.10., 18.00 G

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Ein Pessimist? Mit "Der Mann ohne Vergangenheit" hat Aki Kaurismäki einen herzerwärmenden Film über ein trauriges Leben gedreht. Und darüber sprach er auch mit Frank Arnold.


STANDARD: Beim Filmfest in Hamburg wurden Sie vor einigen Wochen mit dem Douglas-Sirk-Preis ausgezeichnet... Kaurismäki : Was habe ich nur getan, um diese Gnade zu verdienen? Filme sind keine Rennpferde, deshalb habe ich keinen großen Respekt für Preise, aber eine Auszeichnung wie diese war auch für einen zynischen alten Bastard wie mich eine Ehre. Es mag merkwürdig klingen. Wenn man den Douglas-Sirk-Preis erhält, sagt man normalerweise: "Dieser Regisseur war immer wichtig für mich" - aber genau so ist es. Ein Freund hat mich mit ihnen bekannt gemacht, er füttert mich fortwährend mit Filmen aus seiner großen Sammlung. Außerdem verbrachte ich meine Jugend in den Kinos der Filmmuseen, ein Jahr bei Enno Patalas in München, fünf Jahre in Helsinki, als mein Freund dort verantwortlich war. Das war meine filmische Erziehung, eine Filmschule habe ich nie besucht. STANDARD: Sirks Filme enden nicht unbedingt glücklich... Kaurismäki : Das Leben ist nicht glücklich! STANDARD: ... aber nach Ihren Filmen wie jetzt nach Der Mann ohne Vergangenheit kommt das Publikum irgendwie glücklich aus dem Kino. Kaurismäki : Ich denke, das Leben ist schon traurig genug. Meine Geschichten haben oft traurige Enden, aber dann entschließe ich mich doch für ein Happyend. Ich bin so pessimistisch, dass Optimismus meine einzige Chance ist. STANDARD: Sie haben Finnland vor einigen Jahren verlassen. Kaurismäki : Das stimmt nicht, ich verbringe die Hälfte meiner Zeit in Portugal, die andere in Finnland. Ich wollte für immer gehen, und die wären auch glücklich, wenn ich ginge. Aber Filmemacher sollten in ihrem eigenen Land bleiben und dort Filme machen - Filme sind auch eine Dokumentation der eigenen Kultur. STANDARD: Die Schauspielerin Kati Outinen sagte einmal, Ihre Filme spielen weniger in Finnland als in "Akiland". Kaurismäki : Ich zeige Finnland so, wie ich es gerne hätte. "Akiland" ist lediglich in meinem Kopf. STANDARD: Sie zeigen darin reale Probleme wie Arbeitslosigkeit, aber auch, wie Ihre Protagonisten das überwinden. Kaurismäki : Wenn sich 99 Prozent aller Filmemacher auf Sex und Gewalt konzentrieren, warum kann es dann nicht ein Prozent geben, die das nicht tun? STANDARD: Sehen Sie sich da irgendwie allein? Kaurismäki : Selbst Bastarde wie ich haben Freunde. Ja, Jim Jarmusch und Wim Wenders würde ich zu meinen Freunden zählen. Das ist wie eine Familie, die sich nie trifft, nur auf Festivals: "Ciao, ciao - keine Zeit für einen Drink!" Wir treffen uns manchmal auf dem Flughafen. Ich würde mehr fliegen, wenn ich dabei rauchen dürfte. STANDARD: In Der Mann ohne Vergangenheit sieht man einmal ein Foto Ihres jahrelangen und viel zu früh verstorbenen Mitstreiters Matti Pellonpää an der Wand der Bar. Hätten Sie ihn sich in der Hauptrolle des Films vorstellen können, wäre er noch am Leben gewesen? Oder war es vielmehr wichtig, ein Gesicht zu haben, das für das Publikum nicht so bekannt war? Kaurismäki : Zu allererst: das ist meine eigene Bar. STANDARD: Das Bild hängt also immer dort? Kaurismäki : Ja. Jetzt ist es so, dass Matti den anderen Schauspielern zusieht. Und die waren seine Freunde. Dieses Bild wird immer da sein, das ist eine Erinnerung. STANDARD: Legendär sind Ihre Gespräche mit dem Kurator Ulrich Gregor auf der Bühne des Delphi-Kinos im Anschluss an die Vorführung beim Berlinale-"Forum". Haben Sie das dieses Jahr in Cannes vermisst? Kaurismäki : Ich habe alle meine Filme in Berlin gezeigt, wenn die Gregors das wollten. Dieser Film war dafür leider nicht rechtzeitig fertig. Ich bin mein eigener Produzent: Zehn Jahre lang habe ich mich geweigert, meine Filme in einem Wettbewerb laufen zu lassen. Am Ende habe ich mir dann doch gesagt: Alle anderen sind im Wettbewerb, und ich stehe hier allein im Wald. Da ist es einsam - also gehe ich auch in den Wettbewerb. Aber nur einmal! STANDARD: Kati Outinen erzählte, dass die Auszeichnungen in Cannes ihre Wirkung hatten: In Finnland lief der Film damals bereits einige Zeit und nur noch in den kleineren Kinos - und nach Cannes kam er erneut in die größeren! Kaurismäki : Mir geht es nur ums Kino, nicht ums Geld - wenn ich will, kann ich mein Geld immer noch als Tellerwäscher verdienen. Solange ich Benzin für meinen Cadillac und Rosen für meine Frau kaufen kann. STANDARD: Man hat den Eindruck, in Der Mann ohne Vergangenheit sind Ihre Figuren ungleich beredter als früher. Kaurismäki : Jahrelang versuchte ich, den Dialog zu reduzieren. Dann drehte ich Juha , einen Stummfilm in Schwarzweiß. Was kann man danach noch machen? STANDARD: In Finnland spricht das Publikum diese Dialoge bereits nach. Kaurismäki : Ich mache meine Filme für die Leute, nicht für das Publikum. STANDARD: Wo liegt da der Unterschied?! Kaurismäki : Das ist ein großer Unterschied: Mein Publikum hat nicht das Geld, sich Kinokarten zu kaufen. STANDARD: Wie kommt Ihr Publikum dann in den Film? Kaurismäki : Durch die Hintertür. Aber was die Dialoge anbelangt, folge ich nur meiner Nase. Und die ist ziemlich groß - oder, wie W.C. Fields sagte: "Eine große Nase bekommt man nicht vom Tischtennisspielen". STANDARD: Kati Outinen hat auch erzählt, dass die Art und Weise, wie Sie mit den Schauspielern arbeiten... Kaurismäki : Sie lügt! STANDARD: Dann müssen Sie das jetzt richtig stellen. Sie meinte, dass Sie sehr streng mit den Schauspielern sind, was die Dialoge anbelangt. Kaurismäki : Die wichtigste Regel ist: Lass die Schauspieler nicht schauspielen! STANDARD: Und wie erreichen Sie das? Kaurismäki : Indem ich flüstere. Ich drehe immer die erste Probe. Schließlich bin ich auch Produzent und sparsam. STANDARD: Aber wenn sie schon so lange mit Ihnen zusammenarbeiten wie Kati Outinen, dann wissen sie das doch! Kaurismäki : Sie konzentrieren sich derart stark auf ihre Dialoge, dass sie in dem Moment vollkommen nervös sind. Ich breche ihren Willen, indem ich ihnen etwas Seltsames zuflüstere, etwa "Was essen Sie heute Mittag?" (DER STANDARD, Printausgabe, 17.10.2002)