Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Reuters/HEINZ-PETER BADER
Am Anfang war alles analog. Es gab eine Mutter, die immer da war. Es gab ein Fotogeschäft in Steyr. Es gab einen Vater, der viel unterwegs war, und die Mutter, die erklärte, warum. Und dann gab es die Dunkelkammer mit geheimnisvollen Essenzen und Bottichen und Gerüchen, mit Belichtungsmaschinerien und den faszinierenden Prozessen, die einsetzen, wenn das belichtete Papier in die Entwicklerlösung getaucht wird. Aus schemenhaften Schatten kristallieren langsam Menschenbilder aus - Porträts, Köpfe, Typen. In der Dunkelkammer seiner Mutter hat Robert Hartlauer eines der ersten den Menschen formenden Entwicklungsbäder genommen. Hier sah das kleine Kind Ende der 70er-Jahre, dass auch spät abends noch arbeiten muss, wer einem gerade erst gegründeten Familienbetrieb angehört. Hier lernte es, mit Fotoapparaten zu hantieren und die ersten selbstgeschossenen Bilder zu entwickeln. Und hier im Betrieb in Steyr genoss es die ruhige Selbstverständlichkeit souveräner Eltern, die zwar beide fest arbeiteten, die aber trotzdem immer für die drei Kinder da waren. Robert Hartlauer sagt heute, dass seine Kinderstube, ob daheim oder in der Dunkelkammer, im Geschäft oder im Lager, wo er schon als kleiner Bub Etiketten auf Verpackungkisten pickte, bis heute das Fundament seines Lebens sei. "Unser Familienleben - es war und ist immer das Wichtigste, was wir besitzen. Und wenn ich ein Lebensziel habe, dann das, einmal genau so ein Familienleben mit eigener Frau und Kindern leben zu dürfen." Die Wechselbäder des Lebens haben den jungen Hartlauer, Jahrgang 1975, trotzdem ordentlich durchgewaschen, und sie haben ihn zum Typ geformt: Erst einmal, so zynisch es klingen mag, muss man ein Aufwachsen in den Strudeln der Prominenz und des Geldes heil überstehen, ohne zum überheblichen Zniachterl gedreht zu werden. Später muss man erst einmal erwerben, was man ererbt hat, um es zu besitzen: Das vom früh und überraschend verstorbenen Vater übernommene fröhliche Ihr-Robert-Hartlauer-Bild, das das Werbefernsehen zeigt, ist nur das Abziehbildchen des Menschen dahinter. Tatsächlich ist Robert Hartlauer ein, wie man sagt, g'standenes Mannsbild: durchtrainiert bis zu den Ohrläppchen, souverän, selbstbewusst, offen und fast erschütternd fröhlich und dynamisch. Ein knallharter Verhandler soll er dabei sein, so berichten Leute, die ihn gut kennen, und ein umsichtiger Unternehmer. Wer als gerade 27-Jähriger eine Handelskette mit 152 Filialen, rund 1200 Mitarbeitern und einem Gesamtjahresumsatz von etwa 154 Millionen Euro (2001) - offenbar erfolgreich - leitet, der muss noch über andere Qualitäten verfügen, als hübschen Fräuleins medial Auskunft über das beste gerade am Markt befindliche Mobiltelefon geben zu können. Dabei hätten ihm ersteres die Geschäftspartner seines Vaters noch vor wenigen Jahren kaum zugetraut, ganz im Gegenteil. Nachdem er als "furchtbar schlechter Schüler" - selten ohne Nachzipf und mit gelegentlichem Zwischendurchgang - die Handelsakademie hinter sich gebracht hatte, startete Robert Hartlauer eine Optikerlehre und zog auch die durch. Nebenbei wollte er von seinem Vater, "meinem größten Vorbild", die Geschäfte lernen: "Wenn mir das jemand beibringt, dann sollst du das sein." Doch Franz Josef Hartlauer winkte ab: "Wir werden das anders machen, denn es kann nur einer auf der Brücke stehen: Entweder du oder ich. Sonst zerstreiten wir uns." Man schloss also einen Pakt. Der Junge durfte den Älteren bei allen Aktivitäten begleiten, durfte dabei aber kein Wort sagen. Zuhören, aufpassen, alles in sich hineinsaugen, ein eigenes Bild entwickeln. Erst spät abends im Auto, auf dem Weg nach Hause, wurde analysiert, gefragt, wurden Situationen studiert. Drei Jahre lang begleitete Hartlauer auf diese Weise seinen Altvorderen, saß wie ein kleiner, schüchterner Bub neben Verhandlungstischen, sagte nichts, wurde als ein wenig einfältig betrachtet. "Wer mich allerdings kennt, der weiß, wie schwer es mir gefallen ist, den Mund zu halten", sagt er heute. Im Dezember 1999 schloss er die Optikerlehre ab und auch die Lehrfahrten mit seinem Vater. Urlaub wollte er dann machen, später ein eigenes Geschäft gründen, oder in Amerika für eine große Firma arbeiten. So weit und hell die Welt damals war, nur ein paar Tage später wurde sie eng und kalt: Franz Josef Hartlauer erfuhr, dass er nicht mehr lang zu leben hätte. Er übergab den Betrieb sofort an den Sohn. Die ältere Tochter, die sich um PR und Eventmanagement gekümmert hatte, sich aber auch gerade zu dieser Zeit selbständig machen wollte, verwarf ihre Pläne ebenfalls. Gemeinsam tauchte man durch diese Krise, verlor den Vater, erhielt die Familie, erhielt das Geschäft. "Über Krankheit will ich nicht reden, und über unangenehme Dinge will ich nicht zwei Mal sprechen", sagt Robert Hartlauer. Sache ist vielmehr, dass aus dem schweigsamen Bürschchen ein von den Mitarbeitern akzeptierter, sogar gern gehabter Chef wurde, der auch aus den Fehlern seines Vaters gelernt zu haben scheint. Zu Beginn der 90er-Jahre hatte der zu rasch expandiert, zu viele Geschäfte eröffnet, zu optimistisch kalkuliert. Das Resultat war eine De-Facto-Zahlungsunfähigkeit, die Bawag rettete das Unternehmen. "Wir haben damals immer gewusst, dass es, auch wenn das Unternehmen verloren sein sollte, weitergehen wird. Denn wir alle können arbeiten, wir hätten ein neues Geschäft gegründet und in kleinem Rahmen weitergemacht. Die Familie wäre durch eine Pleite nicht verloren gegangen." Hartlauers Expansionsgelüste halten sich denn auch in Grenzen: "Der Ertrag muss stimmen, die Größe ist mir völlig egal." Lediglich mit Südtirol liebäugelt man, in Bozen oder in Meran wäre es schön, eine große Filiale betreiben zu können. Doch viel lieber geht man in Diversifizierung, die einmal analoge Welt ist eine digitale geworden. Letztlich, so der Junior, gehörten aber alle Produkte seiner Palette irgendwie zum fotografischen Gewerbe: die Optik, die digital gewordene Fotografie und damit schließlich auch die dazugehörigen Geräte in Form von Computern. Nur das ehrgeizigste Ziel, nämlich eine Zahnklinik in Wien zu eröffnen, reißt ein wenig aus. Wie die Idee zustande kam, ist leicht erklärt: "Mein Vater ließ sich seine Zähne richten, und dabei ist ihm, so schätze ich einmal grob, die Idee gekommen." Der Grund: So wie die Spannen bei Brillen enorm seien, ist Robert Hartlauer ganz O-Ton seines Vaters, so wären sie es auch in der Zahntechnik. Das alte Spiel, in Massen günstiger für den Endverbraucher sein zu können, ließe sich auch hier durchspielen. Wer allerdings bisher nicht mitspielte, sind die genehmigenden Behörden, doch auch die hat Hartlauer Junior mittels einer Klage hinterfragt. Derzeit sind die EU-Gerichtshöfe damit bemüht, sollte Hartlauer Recht bekommen, wird er in großem Rahmen in das Zahnmedizin- und Zahntechnikgeschäft einsteigen. Der "junge" Hartlauer kann gut damit leben, der Sohn seines Vaters zu sein, erstens, weil er das sowieso immer gern war, zweitens, weil er mittlerweile bewiesen hat, dass er in einer digitalisierten Welt die gleichen Erfolge abräumt, wie sein Vater seinerzeit in der analogen. Was er nicht öffentlich preisgibt, sind die privateren Seiten abseits des generationenübergreifenden, typisch hartlauerschen Dauergreifens zu Mobiltelefon, Kamera, Diktiergerät. Nicht zum Geschäft gehört das modernst eingerichtete private Fotostudio, in dem experimentiert und ausprobiert wird, nicht in die Öffentlichkeit gehören die Ausflüge mit dem alten Puch G, die nicht selten in Übernachtungen unter freiem Himmel münden. Doch das sind Geschichten, die gehen niemanden etwas an. Was uns gehört, gibt's im Fernsehen in werbeportionierten Häppchen: Ihr Robert Hartlauer, Service, Freundlichkeit, Geschäftstüchtigkeit inbegriffen. (DerStandard/rondo/Ute Woltron/1/11/02)