Netzpolitik
"Liberties Lost"-Symposium zum Thema Bürgerrechte im Cyberspace
Datenspeicherung und Überwachung kritisch betrachtet - Mobilfunk- und Internetbetreiber sehen Probleme mit Gesetzesvorhaben
Mit Maßnahmen, die seit dem 11. September 2001 unter
dem Deckmantel der "Terrorismusbekämpfung" Bürgerrechte aushöhlen,
hat sich dieser Tage das "Liberties Lost"-Symposium in Wien
beschäftigt. Die österreichischen Bürgerrechtsgruppen "quintessenz
"
und "
VIBE!AT
" sowie die
ISPA
(Dachorganisation für Internetanbieter
und -firmen) wiesen darauf hin, dass eine Debatte über
Gesetzesvorhaben wie jenes zur verpflichtenden Datenspeicherung für
Internet Service Provider notwendig wäre.
Daten werden großzügig gesammelt
Einen wesentlichen Unterschied zu früheren Zeiten stellte der
Moderator des Symposiums, Erich Möchel, fest:
Mobile Provider würden Daten heute nicht mehr zweckgebunden, sondern
recht großzügig sammeln. Polizei und Geheimdienst seien auf diese
Informationsquellen natürlich besonders gierig. Einmal aus der Hand
gegeben, könne man aus dem Zahlenmaterial nach Belieben Statistiken
gewinnen. Im Internet sehe die Sache noch anders aus, da man die
Teilnehmer nicht mit einer einzigen Nummer identifizieren könne, so
Möchel.
"Der Krebs im Herzen der Gesellschaft"
"Die fehlende Bürgerbeteiligung ist der Krebs im Herzen der
Europäischen Gesellschaft", behauptete Simon Davies, Begründer der
"Big Brother Awards" und Direktor der Datenschutzorganisation
"Privacy International". Mit Daten untermauerte Maurice Wessling von
"Bits of Freedom" in den Niederlanden seine Kritik. Er gab zu
bedenken, dass 30 Prozent der von Behörden abgefragten
Gesprächsmitschnitte und Daten nachweislich fehlerhaft seien, jedoch
über die Freiheit von Verdächtigen entscheiden würden.
Fehlende Datenschutzgesetze
Bei der Osteuropa-Diskussion war die notwendige Abgleichung des
Rechtsbestandes mit der EU ein Thema, das den Datenschutzgesetzen in
den bestehenden Mitgliedsstaaten großes Gewicht gebe, so Veni
Markovski aus Bulgarien. Die Erlaubnis für die so genannte "Data
Retention", also die Aufbewahrung sensibler Daten, sei von vielen
EU-Beitrittsländern als "Befehl" missverstanden worden, so Bob
Horvitz von der Global Internet Policy Initiative, Ungarn. Das sei
besonders problematisch, da diese Länder oftmals keine entsprechenden
Datenschutzgesetze hätten. Wichtig sei, eine Plattform aus Internet
Service Providern, Non-Governmental Organisations und anderen Gruppen
zu bilden - diese müsste einen Kompromiss zwischen Schutz der
Privatsphäre und öffentlicher Sicherheit finden, so Horvitz weiter.
Auswirkungen auch auf die Unternehmen
Nicht zu unterschätzen sind auch die Auswirkungen der neuen
Aufbewahrungspflichten für diejenigen, bei denen die Daten anfallen:
die Unternehmen. Für Kurt Einzinger von der ISPA sind weder
Platzbedarf noch Kosten quantifizierbar, solange es keine Klärung der
Speicherdaten für Provider gebe - ganz abgesehen von
datenschutzrechtlichen Bedenken seinerseits. Georg Chytil von der
EU-Net AG konkretisierte diesen Punkt: Sein Unternehmen bewahre von
den 100 Gigabyte an täglichen Daten lediglich ein Gigabyte auf. Wäre
man zur Speicherung aller Informationen gezwungen, würden die
Betriebskosten auf das Eineinhalbfache ansteigen. Daraus könnte dann
auch ein äußerst detailliertes Profil von jedem Nutzer gezogen
werden.
Daten dürfen niemandem gehören
Kontroverse Diskussionsbeiträge lieferte Hans Zeger von der ARGE
Daten. Seiner Meinung nach werden die Begehrlichkeiten nach heiklen
Daten durch die IT-Industrie gefördert. Österreichs Behörden seien
überhaupt sehr abhörfreudig, mit 20 abgehörten Einwohnern aus einer
Million stünde man noch weit vor den USA (sechs Abgehörte pro
Million). Besonders hervorheben wollte er noch, dass erhobene Daten
keinem Unternehmen "gehören" - sie dürfen nur zweckgebunden gesammelt
und niemals gehandelt werden.(APA)