Netzpolitik
"Blech-Diplomaten" mit künstlicher Intelligenz
Computer könnten Konflikte lösen und Kriege vermeiden - Experten: Im Fall von Bosnien hätte es funktioniert
Computer können nicht nur dazu beitragen, Kriege zu
führen, sondern auch helfen, diese zu vermeiden und Konflikte zu
lösen. Experten auf dem Gebiet der Artificial Intelligence (AI) und
der internationalen Politik aus fünf Ländern trafen sich jüngst auf
Einladung des Österreichischen Forschungsinstituts für AI
(ÖFAI) zu
einem Erfahrungsaustausch. Eines bestätigen die intelligenten
Computer eindrucksvoll: Die Konflikte der Welt laufen heute anders ab
als noch von 1990.
Blecherne Diplomaten
Eines vorweg, derzeit laufen die verschiedenen Ansätze zur
maschinellen Konfliktbewältigung hauptsächlich in den Labors - sprich
PCs - der AI-Forscher. Bisher befragen noch die wenigsten
Entscheidungsträger und Diplomaten ihre Blechkollegen vor kniffligen
Einsätzen. Dabei könnte man doch einiges von einander lernen, wie
folgendes Beispiel zeigt: Bei einer Analyse des damals noch
ungelösten Bosnien-Problems spielten die Wiener AI-Experten um Robert
Trappl Anfang der neunziger Jahre die Sache durch und ließen die
Maschine nach einem vergleichbaren Konflikt in der Geschichte suchen.
Im Fachjargon wird diese Methode "Case based Reasoning" genannt.
"Es zeigte sich, dass als ähnlichster Konflikt das Münchner
Abkommen von 1938 in Frage kommt", so Trappl. Dieses Abkommen regelte
die Besetzung von überwiegend von Deutschen bewohnten Gebieten der
damaligen Tschechoslowakei durch Adolf Hitler bzw. das Deutsche
Reich. Nach dieser Analyse der Sache und den Vergleich mit Hitler
durch den Computer musste man zu der Ansicht kommen, dass man den
damaligen jugoslawischen Präsidenten Milosevic nicht gewähren lassen
dürfe.
Die welt ist anders
Eine Ansicht, mit der viel später auch die internationale
Staatengemeinschaft in den Balkan-Konflikt eingegriffen und beendet
hat. Generell zeigt sich bei den verschiedensten Studien zur
Konfliktbeurteilung durch AI, dass die Welt seit dem Fall des
Eisernen Vorhangs eine andere geworden ist. Bei der Beurteilung von
aktuellen Querelen ist es besser, Daten vor 1990 als Vergleich außer
Acht zu lassen. Die Vergleichbarkeit ist durch die grundlegend neue
Weltordnung einfach nicht mehr gegeben.
Neue Parameter
"War früher für eine erfolgreiche Konfliktbewältigung die Wahl des
Konfliktmanagements entscheidend, spielen heute andere Parameter die
Hauptrolle", so Trappl. Wie Diplomaten an die Sache herangehen - etwa
als Mediatoren oder auch als dritter, starker Mann - ist offenbar
weniger entscheidend.
Nachrichtenagenturen oder Konfliktdatenbanken
Die AI-Experten verwenden für ihre Analysen entweder
Nachrichtenagenturen oder eigens angelegte Konfliktdatenbanken. Eine
besonders aufwändige solche Sammlung wurde in Neuseeland
verwirklicht, sie umfasst 366 Konflikte und 5.066 Bemühungen zur
Konfliktbeendigung, die nun für aktuelle Vergleiche zur Verfügung
stehen. Um die meist sehr unterschiedlichen Szenarien doch
vergleichbar zu machen, setzen die Forscher modernste Methoden wie
etwa Neuronale Netzwerke oder Data Mining ein.
(apa)