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Fast scheint es, als müsste sie gegen männliche Töne untergehen: Isabelle Menke (M.) in "Der Tod und das Mädchen III", inszeniert von Ruedi Häusermann.

Foto: APA/Peter Manninger

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Drei Regisseure versuchten sich für den "steirischen herbst" an Elfriede Jelineks "Prinzessinnendramen" - mit unterschiedlichem Erfolg: Nur Ruedi Häusermann erschloss den Text aus dem Geist der Musik. Wien - Märchenprinzessinnen, das sind jene Wesen, die - bildschön, edel und rein - die Zeit damit verbringen, ihrem Daseinszweck entgegenzuharren: durch IHN, Schloss- und Rossbesitzer, erlöst, auf Letzterem in Ersteres einzuziehen. "Und wenn sie nicht gestorben sind . . ."

Wenn sie aber doch stürben am tödlichen Bild? Seit Jahren nimmt sich Elfriede Jelinek der Inkarnation bürgerlicher Weiblichkeitsfantasien an. Drei solcher "Prinzessinnendramen" - Der Tod und das Mädchen I-III - eröffneten nun, wenige Tage nach ihrer Hamburger Premiere, beim steirischen herbst als österreichische Erstaufführung das Schauspielprogramm.

Nacheinander begegnen dem Prinzen in sich selbst Schneewittchen, Dornröschen und jene vergessene Rosamunde der Dichterin Helmina von Chezy, für die Franz Schubert 1823 die Bühnenmusik geschrieben hatte.

In langen Sprachblöcken montiert Elfriede Jelinek Eigen- und Fremdstimmen der Weiblichkeit: persönlichste und soziologisch oder philosophisch objektivierte, literarische oder alltagstriviale Reden montiert die Dichterin zu einer poetischen, suchenden, offenen Reflexion über weibliches Sein unter der reduzierenden Optik des internalisierten (und institutionalisierten) patriarchalen Blicks.

Jelineks komplexe, sich unendlich verzweigende Wortgespinste schweben über der irdisch-körperlichen Alltagsrealität wie gesplitterte Spiegelungen. Jeden Versuch einer szenischen - und also körperlichen - Fortschreibung auf der Bühne stellen sie vor die diffizile Aufgabe, ihrer Sprache eine bildliche, nicht verdoppelnde Konkretisierung hinzuzufügen, ohne die musikalische Abstraktion und den Verzicht auf Individualisierung und also Dramatik zu zerstören.

Schnee, Blut, Ebenholz

Weshalb ein nicht unspannendes dramaturgisches Konzept des steirischen herbstes die drei Kurzdramen durch zwei Regisseure und eine Regisseurin in Szene setzen ließ.

Den Anfang machte die deutsche Regisseurin und Dramaturgin Brigitte Landes. Sie ent-individualisierte Schneewittchen, indem sie es in drei Typisierungen aufspaltet: weiß wie Schnee, rot wie Blut, schwarz wie Ebenholz.

Den drei Frauen stand - als Jäger und Tod - der Macho Mann dreifach gegenüber, von Papphirschen und Leuchtzwergen flankiert. Allein: Der relativ simple dramaturgische Grundgedanke reduziert Jelineks hochphilosophischen Text auf Rollenklischees und beraubte die Sprache des gedanklichen Atems.

Ähnlich banalisierte der Brite Marc von Henning den Text durch Konkretisierung: Henning platzierte Dornröschen, schon ergraut, im Ballerinen-Tütü aufs glutrote Samtbett (hochkomisch und schlicht bezaubernd: Barbara Hammer), wo sie der Prinz, auch nicht mehr der Jüngste, wachküsste. Um mit ihr vor der finalen Rammelei durch TV-Programme zu zappen, von denen Prinzessinnen (Romy Schneider, Marilyn Monroe, Claudia Schiffer) und Prinzen (Jörg Haider) strahlten, synchronisiert mit Jelineks Text.

Bleibt Ruedi Häusermann. Ihm gelang es, Jelineks Sprache aus ihrem musikalischen Konstruktionszentrum heraus zu begreifen. Weshalb er ihr in einer szenischen Wiedergabe antwortete, die um nichts weniger rätselhaft, abstrakt und musikalisch blieb als der Text: Auf der leeren schwarzen Bühne steht Rosamunde einem Streichquartett samt Steel- drum gegenüber, unter dessen zart fistelnder Musik - vereinzelt sind auch Schubert-Anklänge wahrnehmbar - ihr Sprachgemurmel anfangs ertrinkt. Erst als sie sich mit dem geschriebenen Wort - dem Buch - Gehör verschafft, hört man sie: schnell, getrieben, melodiös bringt Isabelle Menke das große, dichte Textkonvolut als Wortarie. Befreit von szenischer Veranschaulichung, füllt erstmals die Bildwucht der Sprache den Raum. Wird in ihrem Reichtum, ihrer Energie, ihrer Fragilität hörbar. Ein seltener Moment großer Theaterkunst. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.10.2002)