Spötter nennen es seit Wochen nur "das Skelett": Am Montag legte Valéry Giscard d'Estaing das Gerüst für eine künftige EU-Verfassung vor. Der Präsident des EU-Reformkonvents präsentierte sein Papier unter der Überschrift "Vorentwurf des Verfassungsvertrags" in Brüssel vor dem Plenum. Die augenfälligste Neuerung: Ein Austritt aus der Union soll künftig in einem vertraglich geregelten Verfahren möglich sein.

Giscards Dokument enthält außerdem das Lieblingsprojekt des ehemaligen französischen Präsidenten, einen "Kongress der Völker Europas". Dafür weicht es aber der heiß umstrittenen Frage aus, ob es künftig einen EU-Ratspräsidenten geben soll. Dass der Giscard-Entwurf dazu nichts sagt, liegt in der Natur der Sache, denn er beschreibt nur, was wo in den einzelnen Artikeln der künftigen EU-Verfassung zu stehen hat. Inhaltliche Vorgaben oder gar einen Wortlaut gibt es nicht - man will den Beratungen des Konvents nicht vorgreifen.

Nach den Vorstellungen Giscards muss die EU künftig eine einzige Rechtspersönlichkeit haben (statt der bisher drei verschiedenen - Europäische Union, Europäische Gemeinschaft und Euratom), die ein einheitlicher Vertrag in drei Teilen regelt. Der erste Teil enthielte demnach die Grundrechte sowie Bestimmungen über Kompetenzverteilung, Institutionen und Verfahren. Der zweite Teil enthielte Regelungen zu allen konkreten Politikbereichen, die zur Zuständigkeit der Union gehören. Giscard hat hierzu nichts ausformuliert, es würde sich aber um Dinge wie die Grundfreiheiten, Wettbewerbspolitik oder Forschungsförderung handeln, die schon jetzt von Brüssel geregelt und überwacht werden. Der dritte Teil enthielte Übergangsbestimmungen. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.10.2002)