Europas derzeit aktivster Vulkan, der Ätna auf Sizilien,
speit wieder Glut und Asche.
Das ist beunruhigend, denn
der Vulkan hat sich verändert. Bis letztes Jahr galt der
Ätna bei den Einheimischen
als „der Gutmütige“, denn er
würgte seine Lava geradezu
behutsam hervor. So kamen
bei seinen Ausbrüchen selten
Menschen zu Schaden, weil
sie sich zumeist in Sicherheit
bringen konnten.
Die Explosivität und die
großen Gas- und Aschemengen überraschten letztes Jahr
sowohl Einheimische als
auch Forscher. Untersuchungen der Lava erhöhten
die Besorgnis, dass sich der
Vulkan aus einer neuen
Quelle speist. In Zukunft
droht er damit heftiger auszubrechen.
So erweist es sich als
glückliche Fügung, dass auch
der Ätna mit aufgenommen
wurde in das Programm der
Vereinten Nationen (UN), das
es sich zur Aufgabe gesetzt
hat, die 16 gefährlichsten
Vulkane der Welt besser unter Kontrolle zu bekommen.
1990, zu Beginn der Internationalen Dekade zur
Reduzierung von Naturkatastrophen,
ermittelte ein Forscherkomitee der UN jene so genannten
Dekadenvulkane aus weltweit etwa 550 aktiven Feuerbergen. Wesentliches Kriterium war, dass viele Menschen im potenziellen Katastrophengebiet leben. Man
vernetzte Forschergruppen
und konzentrierte ihre Aktivitäten auf jene Dekadenvulkane. Man lernte, diverse
Signale der Vulkane zu deuten: Vor einigen Ausbrüchen
wie auf den Philippinen 1991
konnten daher Tausende
Menschen rechtzeitig evakuiert werden.
Genau registriert
Der Ätna gehört mittlerweile zu den besterforschten
Vulkanen der Welt. Er wurde
verkabelt wie ein Patient auf
der Intensivstation. 50 Wissenschafter überwachen in
einem extra gegründeten Institut in der sizilianischen
Kleinstadt Nicolosi jede Regung des Vulkans. Wenn aufsteigendes Magma (unterirdische Lava) den Berg aufzublähen beginnt, registrieren
die Instrumente die Veränderungen millimetergenau.
Auch jedes für Menschen
unmerkliche Erdbeben wird
aufgezeichnet.
„Die meisten Vulkane verraten zwar durch diverse
Signale, dass sie aktiv sind.
Den entscheidenden Hinweis, wann sie ausbrechen,
geben sie aber nicht“, sagt der
Geologe und Mitinitiator des
UN-Programms, Hans-Ulrich
Schmincke vom Forschungszentrum Geomar in Kiel. Die
vier aussagekräftigsten Signale werden inzwischen bei
allen Dekadenvulkanen permanent gemessen: Erdbeben,
die Aufblähung des Vulkandachs, die Temperatur im Inneren des Berges und die Zusammensetzung der aufströmenden Gase.
Um die noch mangelhaften
Vorhersagemöglichkeiten für
Vulkankatastrophen zu verbessern, setzen die Forscher
vor allem auf die Satellitenbeobachtung. „Ziel ist die
ständige Überwachung aller
Dekadenvulkane aus dem
Weltall“, sagt Schmincke. (Axel Bojanowski/DER STANDARD, Printausgabe, 29.10.2002)