Kosovo
Busek: Großes US-Interesse für Sicherheitslage am Balkan
Ex-Kanzler konstatiert gegenseitig mangelndes Wissen der USA und Europa und hält die Innenpolitik für eine provinziell
Washington - Der Koordinator des Stabilitätspakts für
Südosteuropa, Erhard Busek, sieht nach wie vor großes Interesse der
USA am Balkan. "Die Amerikaner begreifen eher als die Europäer, dass
diese Region eine strategische Bedeutung für die Sicherheit hat",
meinte Busek zum Abschluss eines mehrtägigen USA-Besuchs im Gespräch
mit der APA in Washington. Dabei werde die Stabilisierung am Balkan
im größeren Zusammenhang mit Krisen-Regionen wie Zentralasien und dem
Mittleren Osten gesehen. Beim Stabilitätspakt spielen die USA neben
der EU und den EU-Staaten eine wichtige Rolle bei der Finanzierung,
Buseks Stellvertreter in Brüssel ist der US-Amerikaner John Riddle. Bei der Balkan-Hilfe dächten die Amerikaner viel
projektorientierter als die Europäer, auch die
Entscheidungsstrukturen seien einfacher als in der EU, meint Busek.
Besondere Anliegen der USA sind der Kampf gegen organisiertes
Verbrechen und gegen Terrorismus. Erfolgreiche Projekte seien etwa
ein in Bukarest eingerichtetes Zentrum zur Bekämpfung von
grenzüberschreitendem Verbrechen, an das die Exekutive von zwölf
Ländern - von Slowenien bis zur Türkei - Anfragen richten kann. Auch
der Tausch von Kleinwaffen gegen Hilfe bei Infrastrukturinvestitionen
habe in vielen Gemeinden in Bosnien-Herzegowina, Serbien und
Mazedonien gut gegriffen.
Mangel an wechselseitiger Kenntnis"
Bei den Beziehungen zwischen Europa und den USA konstatiert Busek
generell einen "Mangel an wechselseitiger Kenntnis". Dadurch würden
dann auch die gegenseitigen Vorurteile größer, bedauerte er. Dies
zeige sich etwa bei der Debatte über eine Irak-Resolution der
Vereinten Nationen oder im deutschen Wahlkampf. Bei seinen Gesprächen
in den USA sei ihm gegenüber mehrfach die Sorge um wachsenden
"Anti-Amerikanismus und Antisemitismus in Europa" zum Ausdruck
gebracht worden.
Die Amerikaner betrachteten den Terrorismus als "globale
Bedrohung" und fühlten sich auch selber dadurch bedroht, während die
Europäer glaubten, dass die Bedrohung nicht für sie gelte. Diese
Einstellung werde den Europäern von den Amerikanern vorgeworfen,
meint Busek. Andererseits verstünden die Amerikaner wenig vom
Charakter der EU, wenn sie etwa ein europäisches Heer urgierten und
die Übernahme von mehr Verantwortung durch die Europäer selbst
einforderten.
In Washington führte Busek Gespräche mit Vertreterinnen des State
Department, den Vize-Außenministerinnen Paula Dobriansky und Janet
Boguey. Weiters hielt er Vorträge an der
George-Washington-Universität und an der Harvard Universität sowie in
New York. Am 25. November wird Busek bei einer vom britischen Premier
Tony Blair organisierten Konferenz in London über die Bekämpfung von
organisiertem Verbrechen und Terrorismus sprechen. Busek ist auch
Vorsitzender der 1996 gegründeten Südosteuropäischen
Kooperationsinitiative (Southeast European Cooperative Initiative,
SECI).
"Österreich wird zur Provinz"
Busek hat sich am Rande
seines USA-Aufenthalts für die Erteilung von Überfluggenehmigungen
ausgesprochen, sollte es zu einer Militäraktion gegen den Irak
kommen. "Diese Interpretation der Neutralität, das zu verbieten,
würde total missverstanden werden", sagte Busek im Gespräch mit der
APA in Washington. Auch ohne UNO-Beschluss bei einem reinen
NATO-Bündnisfall "würde ich daraus keine Prinzipienfrage machen", rät
Busek. "Das wird der Prüfstein für jede Regierung".
Der Irak werde in den USA als echte Bedrohung verstanden, weil das
Regime laut US-Angaben über biologische Waffen verfüge und als Staat
auch eine wesentlich stärkere Einsatzmöglichkeit dafür als etwa eine
Terrorgruppe habe. Die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen und
Terrorismus werde in den USA als "Auseinandersetzung mit dem
politischen System der freien Welt" gesehen.
In Europa sei dieses Bewusstsein der Bedrohung nach den Anschlägen
vom 11. September zwar auch vorhanden gewesen, jetzt allerdings
zunehmend verschwunden. Deutschland werde jedoch schon beim
NATO-Gipfel am 21. und 22. November in Prag seinen Standpunkt zu
einer Irak-Militäraktion korrigieren, erwartet Busek.
Provinz
Über die aktuelle österreichische Politik zeigte sich Busek wenig
begeistert. "Österreich wird politisch gesehen zur Provinz", meint
der ehemalige ÖVP-Bundesparteiobmann. Jene Themen, die in Österreich
heiß diskutiert werden, interessierten im europäischen und
internationalen Kontext "niemanden". Gleichzeitig werde es auf
internationaler Ebene als "unwichtig" betrachtet, was in Österreich
passiert.
"Wichtige globale Themen ziehen an uns vorüber", bedauert Busek.
Als Ursache sieht er einen "Fluchtmechanismus" bei österreichischen
Politikern. Persönlich ist er mit seiner Aufgabe als Koordinator des
Stabilitätspakts für Südosteuropa "ausgelastet und sehr zufrieden". (APA)