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Moskau - Eineinhalb Tage nach dem Beginn des
Geiseldramas in Moskau zeichnet sich für die bis zu 700 Menschen in
der Gewalt tschetschenischer Rebellen noch immer keine Lösung ab. Die
Terroristen entließen zwar bis zum Freitagabend
(Ortszeit) insgesamt 58 Geiseln, darunter acht Kinder, doch für die
große Mehrheit der in einem Musical-Theater gefangen gehaltenen
Menschen blieb die Lage weiter dramatisch. Der als äußerst brutal
geltende Anführer der Geiselnehmer, Mowsar Barajew, ließ am Morgen
mehrfach Termine zur Freilassung der etwa 75 Ausländer, darunter drei
bis sieben Deutsche, verstreichen.
Bei den Verhandlungen über die Freilassung der ausländischen
Geiseln habe es in letzter Minute Probleme gegeben, sagte US-Konsul
General James Warlick. Die Verhandlungen der Diplomaten mit den
Geiselnehmern seien vorerst gescheitert. Der russische
Inlandsgeheimdienst FSB hatte zuvor erklärt, die Geiselnehmer hätten
die Freilassung der 75 Ausländer, unter denen sich auch eine
Österreicherin befindet, zugesagt.
Hoffnung
"Wir hoffen, dass die österreichische Geisel uns noch heute
übergeben wird", war die Auskunft eines Diplomaten an der
österreichischen Botschaft in Moskau, der am Donnerstag den ganzen
Tag am Ort der Geiselnahme war und mit dem österreichischen
Botschafter in Moskau, Franz Cede, versuchte, die Österreicherin
Emilia Predowa-Usunow (43) freizubekommen.
Die etwa 50 schwer bewaffneten Tschetschenen hielten sich ohne
weitere Anzeichen des Einlenkens in dem Musical-Theater verschanzt.
Aus den Reihen der Geiseln wurde am Freitagmittag in einem Appell an
die Öffentlichkeit eindringlich vor einer Erstürmung des Gebäudes
durch die Polizei gewarnt. "Im Saal halten ständig 15 Rebellen mit
Sprengsätzen am Körper Wache", hieß in den über Mobiltelefon
übermittelten Mahnworten. Bisher haben die Rebellen insgesamt etwa 50
Menschen aus ihrer Gewalt freigelassen.
Der russische Krisenstab machte keine Angaben über weitere
Bedingungen der Terroristen. Auch mehr als 36 Stunden nach der
Erstürmung der Konzerthalle im Südosten Moskaus ging die russische
Staatsführung offiziell nicht auf die Forderung ein, die Truppen aus
der abtrünnigen Teilrepublik Tschetschenien abzuziehen und den Krieg
im Kaukasus zu beenden. Parlamentsabgeordnete bezeichneten das über
Internet verbreitete Ultimatum der Rebellen, innerhalb von sieben
Tagen über den Abzug der Armee aus der Kaukasusrepublik zu
entscheiden, als "unerfüllbar".
Die Sprecherin des Theaters, Jelena Maljonkina, berichtete von
einer sich zusehends verschlechternden Lage der Geiseln: Sie hätten
nichts zu essen und zu trinken bekommen. Als Toilette müssten sie den
Orchestergraben benutzen. "Sowohl Terroristen als auch Geiseln sind
nervös. Jeder Schritt auf eine Stürmung wird zur Explosion des
Gebäudes führen." Ein Arzt, der zwei Taschen mit Arzneien trug, ging
in Begleitung eines TV-Teams in das Theater.
Der russische Fernsehsender NTW, dem es erlaubt wurde, ein Team in
das Gebäude zu schicken, zeigte am Freitag erste Bilder von den
Geiselnehmern. Unter ihnen war auch der mutmaßliche Anführer, Mowasar
Barajew. Neben ihm waren zwei maskierte Männer und zwei in schwarz
gekleidete Frauen zu sehen. Die Männer trugen Militäranzüge in
Tarnfarbe. Die Frauen hatten das Gesicht mit einem Kopftuch mit
arabischer Schrift verdeckt. Eine Frau trug eine Pistole und hielt
scheinbar einen Zünder für einen am Körper befestigten Sprengsatz in
der Hand. Ein Reporter der "Sunday Times" zitierte Barajew mit den
Worten, die Rebellen seien "guten Mutes, und ihr einziger Traum ist
es ein Selbstmordkämpfer zu werden".
Das tschetschenische Selbstmordkommando hatte den Konzertsaal im
Südosten Moskaus am Mittwochabend gestürmt und Zuschauer, Sänger und
Personal als Geiseln genommen. Die Rebellen wollten nach eigenen
Angaben einen Abzug der russischen Truppen aus ihrer Heimatrepublik
im Kaukasus erzwingen. Eine etwa 20-jährige Russin war bei dem
Eindringen der Terroristen am Mittwochabend getötet worden. Präsident
Wladimir Putin sah in dem Überfall die Handschrift des
internationalen Terrorismus.
Starke Polizeikräfte und Sondereinheiten hielten das Gebäude
weiterhin abgeschirmt. Mehrere russische Politiker hatten am
Donnerstag vergeblich versucht, mit den Rebellen die Freilassung von
Geiseln auszuhandeln. (APA/dpa/Reuters)