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Mary Cassat: "Dame in einer Loge mit Perlenhaslkette", 1897

Foto: Kunstforum
Unter einen stark erweiterten Impressionismusbegriff fällt die aktuelle Ausstellung im Wiener Kunstforum Bank Austria, welche amerikanischen und russischen Malereien der vorigen Jahrhundertwende, darunter Ilja Repin, einige französische Vorbilder gegenüberstellt.

Wien - Den Muff des Akademismus abgestreift, rein in die Sommerakademie, ins Freilicht, rosa Brille aufgesetzt und Mädchen mit Pfirsichen oder Blumenwiesen auf die Leinwand gepinselt. Einem den Oberflächenreizen erlegenen, meist flachen, aber nie abstrakten Eskapismus frönten viele Maler weltweit in der Folge des tonangebenden französischen Impressionismus, meist 20 Jahre später - auch schon, als die "Avantgarden" am Beginn des 20. Jahrhunderts die Kunst komplett auf den Kopf stellten.

Russland und die Vereinigten Staaten stehen im Fokus der neuen Kunstforum-Schau Impressionismus: Amerika Frankreich Russland. Eine Hand voll französischer Vorbilder, darunter Pissarro und Monet, kontern den stilistisch divergierenden russischen und amerikanischen Exponaten. Die für den Impressionismus charakteristische flächige Auflösung der Gegenstände im Licht kommt zuweilen vor; oft könnte man die Gemälde als realistisch bezeichnen. In der Tat hingen einige Exponate, darunter die sozialkritischen Wäscherinnen (1898) von Abram Archipow, heuer bei Repin und die Realisten in der Kunsthalle Krems.

Die Grenzen zum Realismus und zum Kitsch sind also fließend, wobei eigenständige Arbeiten, etwa der modern-kräftig gemalte Besuch, Archipows 17 Jahre nach den Wäscherinnen gemaltes Bild, jenseits von Begriffs-Haarspaltereien überzeugen. Impressionsmus war ja zu Beginn auch ein Schimpfwort, dann eine Stilbezeichnung. Einiges wird in Russland erst nach Öffnung der Archive aufgearbeitet, da wirft man mit den Klassifizierungen noch leichter um sich. Außerdem übten sich viele Maler jener Zeit in verschiedenen Ismen.

Mädchen, Frauen, Kinder und Blumen, romantisierende Naturmalerei rund ums feudale großbürgerliche Landhaus, das man sich, im Falle Amerikas, nach den Gewinnen aus dem Bürgerkrieg geleistet hatte, worauf man sich auch bildmäßig in die Idylle verabschiedete: Es sind auch genau diese Bilder ausgestellt, die sich die neureichen Russen gerne wieder in ihre Salons hängen. Qualitativ ragen zweifellos die Fotografien des Piktoralismus, eines Edward Steichen oder Alfred Stieglitz, heraus, welche die malerischen Impressionen ergänzen wie relativieren.

Während sich in den Staaten Patriotismus in Städtetopgrafie auslebte, fokussierten die russischen Kollegen gerne auch die Landbevölkerung. Die hell gekleidete feine Dame, im Licht der Sonne oder der Theaterloge, gefiel allen. Darin waren die Maler durchaus realistisch. (DER STANDARD, Printausgabe, 25./26./27.10.2002)