Literatur
Observierungsposten für Deutsch
Sprach-Akademie schlägt Gründung einer Sprachbeobachtungsstelle vor, weil Deutsche Sprache an Bedeutung verliert
Darmstadt - Die deutsche Sprache verliert nach Ansicht
des scheidenden Präsidenten der deutschen Akademie für Sprache und
Dichtung, Christian Meier, immer mehr an Bedeutung. Deutsche
Wissenschafter und Manager verständigten sich oft nur noch auf
Englisch, sagte Meier zum Auftakt der Darmstädter Herbsttagung der
Akademie am Donnerstag in einem Gespräch mit der Deutschen
Presse-Agentur (dpa). "Ich habe deshalb darum gekämpft, dass die
deutsche Sprache in ihrer vollen Breite und Tiefe erhalten bleibt.
Und mein Nachfolger wird dies auch tun müssen." Der neue Präsident
wird am Freitag gewählt.Verlust der Worte
"Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Vorlesungen in allen Fächern
weiterhin auch in deutscher Sprache gehalten werden," sagte Meier.
Wenn über naturwissenschaftliche Themen nicht mehr auf Deutsch
debattiert werde, verliere die Sprache die dafür notwendigen Worte:
"Damit werden die Menschen sprachlos und können bei aktuellen
politischen Themen, etwa der Gentechnik, nicht mehr mitreden."
Frankreich als Vorbild
Der Akademiepräsident sprach sich für die Gründung einer
Sprachbeobachtungsstelle aus, bei der Bürger bei Sprachproblemen
anrufen könnten. "Das wäre nicht nur eine Dienstleistung für die
Sprachnutzer und die Sprache selbst. Auch wir könnten sofort sehen,
wo die Menschen Schwierigkeiten haben." Außerdem müssten Programme
zur Förderung des Lesens aufgelegt werden, forderte Meier und nannte
Frankreich als Vorbild: "Dort hat ein Autor eine Lesebewegung
gegründet, in dem er Rentner zum Vorlesen in die Schulen schickt."
Kampf gegen Rechtschreibreform
Als zweites großes Thema seiner sechsjährigen Amtszeit nannte
Meier den Kampf gegen die Rechtschreibreform: "Der aktuelle Zustand
ist lästig. Jeder benutzt eine andere Rechtschreibung." Der Präsident
bedauerte, dass sich die Kultusminister bislang allen vernünftigen
Lösungen widersetzten. Lügen, Scheinheiligkeit und Ignoranz
bestimmten die Debatte: "Es ist, als ob wir gegen eine taube Mauer
reden würden."
Flinten nicht ins Korn werfen
Die Akademie als unabhängige Institution werde sich jedoch
weiterhin für eine vernünftige Lösung einsetzen und in Kürze ihre
Vorschläge zur Reform der Reform veröffentlichen. "Eine Flinte ist
nicht dazu da, ins Korn geworfen zu werden", sagte Meier. (APA/dpa)