Brüssel - EU-Kommissionspräsident Romano Prodi hat die Staats- und Regierungschefs der 15 Mitgliedsstaaten eindringlich aufgefordert, sich beim Brüsseler EU-Gipfel auf einen Finanzrahmen mit "präzisen Zahlen" für die Erweiterung zu einigen. Eine Einigung beim EU-Gipfel im Dezember in Kopenhagen sei zwar "möglich, aber wesentlich schwieriger", warnte Prodi am Donnerstag in Brüssel. Eine klare Absage erteilte Prodi vor der zweitägigen Konferenz der Forderung des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac, auch den "Briten-Rabatt" im EU-Budget in die ohnehin schon schwierigen Erweiterungsverhandlungen einzubeziehen. Es gebe "keinen Grund", diese Frage mit der Erweiterung zu verknüpfen, sagte Prodi. Großbritannien, das zu den vier Nettozahlern der EU gehört, hatte sich 1984 einen Rabatt auf seinen EU-Beitrag erstritten. Im Streit um die Finanzierung der EU-Erweiterung hatte Chirac den so genannten "Briten-Rabatt" in Frage gestellt. Dieser von der damaligen Premierministerin Margaret Thatcher durchgesetzte Bonus sei heute weniger gerechtfertigt als früher, sagte Chirac am Dienstag nach einem Treffen mit dem amtierenden EU-Ratspräsidenten und dänischen Regierungschef Anders Fogh Rasmussen in Paris. Aussprache nicht auf Tagesordnung Eine Aussprache über den Stabilitätspakt steht laut Prodi nicht auf der Tagesordnung des Gipfels. Er schloss aber nicht aus, dass einige Mitgliedsstaaten das Thema ansprechen werden. Die jüngsten Aussagen Prodis, der Stabilitätspakt sei "dumm wie alle starren Regelungen" hatte vor allem bei kleineren Mitgliedsstaaten wie Österreich für große Aufregung gesorgt. Ein Datum zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist laut Prodi beim nächsten EU-Gipfel in Kopenhagen nicht zu erwarten. "Erweiterung hat ihren Preis" Zum Streit zwischen Paris und Berlin über die künftigen Agrarsubventionen sagte Prodi, die neuen EU-Länder dürften nicht schlechter als die alten Mitglieder gestellt werden. Die direkten Einkommensbeihilfen für die Bauern in den neuen Mitgliedsstaaten müssten schrittweise zwischen 2004 und 2013 auf das Niveau der alten Mitglieder angehoben werden. Die Erweiterung habe einen Preis, die Ausgaben für eine EU mit 25 Mitgliedern könnten aber mit dem derzeitigen EU-Finanzrahmen von 1,08 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU gedeckt werden. Deutschland möchte die Direktzahlungen am liebsten abschaffen, Frankreich will erst 2006, wenn die zehn "Neuen" mit am Tisch sitzen, über eine Agrarreform verhandeln. Der Agrarstreit zwischen Frankreich und Deutschland wird im Mittelpunkt des Gipfels stehen. Der EU-Gipfel in Brüssel soll grünes Licht für die Empfehlung der EU-Kommission zur Aufnahme von zehn Kandidatenländern ab Anfang 2004 geben. Bulgarien und Rumänien sollen dabei unterstützt werden, ihr selbst gesetztes Zieldatum 1. Jänner 2007 für den EU-Beitritt zu erreichen. Der Türkei empfiehlt die EU-Kommission dagegen trotz der beschlossenen Reformen noch kein konkretes Datum für die Aufnahme von Verhandlungen zu geben. Endgültig beschlossen soll die Erweiterung dann beim Gipfel in Kopenhagen werden. Eröffnet wird der Gipfel am Donnerstagabend mit einem Treffen der Staats- und Regierungschefs mit dem Präsidenten des Reformkonvents, Valery Giscard d'Estaing und einem getrennten Abendessen der Regierungschefs und der Außenminister. (APA)