Inland
Strafanzeige nach Benes-Gutachten
Anzeige gegen drei nach Österreich geflüchtete NS-Täter
Wien - Der Berliner Anwalt Frank Metzing hat gegen drei nach
dem Zweiten Weltkrieg nach Österreichs geflüchtete NS-Täter
Strafanzeige bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien erstattet. Das
teilte Metzing am Donnerstag in einer Aussendung mit. Basis ist das
Gutachten des deutschen Völkerrechtlers Jochen Frowein zu den
Benes-Dekreten, in dem dieser zur Auffassung gelangt sei, "dass
sowohl in Deutschland als auch in Österreich keiner der für das
Massaker in Lidice sowie die Erschießungen von Mitgliedern der
tschechischen Zivilbevölkerung verurteilt worden ist". Bei der
Oberstaatsanwaltschaft Wien ist die Anzeige allerdings bis dato noch
nicht eingegangen, hieß es auf APA-Anfrage. Folgende drei Personen hat Metzing im Visier: Heinrich Berger,
Franz Reinthaler und Karl Oppolzer. Da es sich bei dem Massaker von
Lidice, das im Juni 1942 stattfand, und den Erschießungen um
Offizialdelikte handle, die als Mord bzw. Genozid nicht verjähren,
sei "zu erwarten, dass die österreichischen Ermittlungsbehörden
kurzfristig entsprechende strafrechtliche Ermittlungen gegen die nach
den mit der Strafanzeige vorgelegten Unterlagen verantwortlichen, in
Österreich aufhältigen Personen, sowie diese noch am Leben sind,
veranlassen", schreibt der Anwalt.
Berger und Oppolzer vermutlich tot
Zwei der drei Genannten dürften sich allerdings kaum mehr unter
den Lebenden befinden. Berger wurde am 28. November 1896 in Wien
geboren, war von 1949 bis 1944 SS-Obersturmbannführer und
Regierungsrat bei der Gestapo Prag. 1944 wurde er nach Klagenfurt
versetzt. Oppolzer wurde 1895 in Wien geboren und war
Oberwachtmeister der Schutzpolizei Prag. Er habe an
Hinrichtungskommandos im Zusammenhang mit der so genannten
"Heydrichiade" teilgenommen.
Der nationalsozialistische Reichsprotektor für die
Tschechoslowakei, Reinhard Heydrich, war 1942 von tschechischen
Freiheitskämpfern ermordet worden. Die Täter hatten in der Kyrill und
Method-Kathedrale Zuflucht gefunden, wurden aber von der deutschen
Besatzung dort aufgegriffen und sofort hingerichtet. Das
Hitler-Regime nahm den Heydrich-Mord zum Anlass, zahlreiche des
Widerstands verdächtige Personen verhaften zu lassen, unter ihnen
auch viele Priester und Ordensleute. Nahezu zeitgleich erfolgte die
Auslöschung des Dorfes Lidice in der Nähe von Prag.
Wesentlich später geboren wurde dagegen Reinthaler. Er kam am 7.
Juli 1916 in Neumarkt-Gubingen zur Welt und war Oberleutnant der
"Schutzpolizei Prag". Reinthaler, der 1945 angeblich nach Österreich
flüchtete, leitete die Hinrichtungskommandos am 5., 6., 8., 16. und
20. Juni 1942 in Prag-Kobylisy, bei denen 76 Menschen zu Tode kamen.
Metzing setzte auch Justizminister Dieter Böhmdorfer (F) in einem
mit 23. Oktober 2002 datierten Schreiben vom Erstatten der
Strafanzeige in Kenntnis. Darin ersucht Metzing Böhmdorfer zudem:
"Ich darf Sie kollegialiter bitten, unverzüglich die Einleitung
entsprechender Ermittlungen anzuweisen." (APA)