Vor rund drei Jahren standen die beiden größten Banken Österreichs vor einer strategischen Entscheidung. Der heimische Markt war zu klein, ein Schritt ins Ausland nötig. Die Erste Bank wandte sich gen Osten und übernahm marode Großsparkassen in Tschechien und der Slowakei. Die Bank Austria wandte sich nach Deutschland und fusionierte mit der zweitgrößten Bank des Landes. Die Aktionäre beider Banken zogen notgedrungen mit ins Abenteuer jenseits der Grenzen.Heute ist klar, wer das bessere Los gezogen hat. Die Erste ist in einigen der besten Wachstumsmärkte Europas engagiert und profitiert von der Ostfantasie. Die Schwäche des Bankensektors hat ihrer Aktie nur wenig geschadet. Die Bank Austria hat sich mit der HypoVereinsbank hingegen alle Probleme der deutschen Wirtschaft eingehandelt: Kurssturz an den Börsen, Insolvenzen und damit verbundene Milliardenabschreibungen. Der Aktienkurs ist so tief, dass die geprügelten Ex-Bank-Austria-Aktionäre - darunter die Wiener Städtische und die Gemeinde Wien - heute wohl den Tag verfluchen, an dem Gerhard Randa den Pakt mit HVB-Chef Albrecht Schmidt unterschrieb. Auch die jüngsten Quartalszahlen geben den Besitzern von HVB-Papieren wenig Grund zur Hoffnung. Dass Schmidt nun schneller als erwartet seinen Sessel für Dieter Rampl räumt, zeugt eher von Panik- als von Aufbruchsstimmung. Das Beste, was Schmidt nach all den Jahren vorweisen kann, ist die Übernahme der profitablen Bank Austria. Deren Aktionäre mögen nun weinen, doch dass Aktienbesitz mit Unsicherheit und Risiko behaftet ist, haben sie immer gewusst. Und in ein paar Jahren kann alles wieder anders sein: Wenn sich Deutschland erholt und im Osten die Krise herrscht, blicken vielleicht Erste-Aktionäre neidisch auf die HVB. (DER STANDARD, Printausgabe 24.10.2002)