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Taxifahrer bringt mit "Lula"-Maske seine Sympathie für den Arbeiterpartei-Kandidaten zum Ausdruck.

Foto: REUTERS/Sergio
60 Prozent der Brasilianer wollen Umfragen zufolge Sonntag Luiz Ignácio "Lula" da Silva zum Präsidenten Brasiliens wählen. Breite Teile der Bevölkerung setzen große Hoffnungen in den Arbeiterpartei-Kandidaten. Leere Staatskassen könnten die Erwartungen zunichte machen.

Er liegt in allen Umfragen vorne: Deutlich mehr als 60 Prozent der Befragten wollen Luiz Ignácio "Lula" da Silva am kommenden Sonntag bei der Stichwahl für das Amt des brasilianischen Präsidenten ihre Stimme geben. Der 56-jährige Metallarbeiter wäre der erste Staatschef, der nicht der traditionellen Elite entstammt. Erstmals hätte die Bevölkerungsmehrheit eine Identifikationsfigur an der Spitze des Staates.

Entsprechend groß sind die Erwartungen, riesig aber auch die Herausforderungen, vor denen der neue Präsident steht. 25 Prozent der 170 Millionen Brasilianer überleben mit weniger als einem Dollar pro Tag, zehn Prozent der Bevölkerung verfügen über 80 Prozent des Reichtums. Es fehlen elf Millionen Arbeitsplätze, sechs Millionen Wohnungen, das öffentliche Bildungs- und das Gesundheitssystem sind miserabel, Zehntausende landlose Tagelöhner warten seit Jahren auf eine Parzelle Ackerland.

Wenig Spielraum

Allein: Große Ausgaben wird der neue Präsident kaum tätigen können. Das Land ist mit 287 Mrd. Dollar verschuldet. Die Kapitalmärkte sind nervös, Brasilien kann praktisch keine Auslandskredite mehr aufnehmen. Gleichzeitig sank der Real und die Dollarschulden verteuerten sich. Der Internationale Währungsfonds sprang mit 30 Mrd. Dollar Kredit ein - Bedingungen hierfür sind, dass das Land weiter einen Budgetüberschuss von 3,75 Prozent des BIP erwirtschaftet und den öffentlichen Dienst stutzt.

Unter Lula werden auch Direktinvestitionen erst einmal spärlicher fließen - bis klar ist, welchen wirtschaftspolitischen Kurs er einschlägt. Lateinamerika-Experten halten Finanzierungsengpässe und ein Szenario wie in Argentinien, das Anfang des Jahres die Zahlungsunfähigkeit erklären musste, für möglich. Politisch bestehe die Gefahr, dass der dem gemäßigten "rosaroten Flügel" der PT angehörende Lula vom linksradikalen Flügel, den so genannten "Schiiten", unter Druck gesetzt wird und den Stabilitätskurs der jetzigen Regierung aufgibt. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.10.2002)