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Rudolf Scholten, der Autor dieses 'Kommentars der anderen', ist Bundesminister für Kunst a.D.

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Was Rudolf Burger mit Ioan Holender verbindet, warum Kritiker von André Heller in der Öffentlichkeit etwas bescheidener auftreten sollten, und was das alles mit dem Nestroy-Preis zu tun hat. - Beobachtungen eines Nichtkünstlers. Wien, wenige Tage nach der "Wende": Ein Philosophie-Professor, vormals Bewunderer der Ära Vranitzky, wirft den Gegnern der neuen Regierung hysterische Aufgeregtheit vor; ein Staatsoperndirektor wechselt das Ziel seiner Ergebenheitsadressen, verdächtigt sich selbst retrospektiv des Opportunismus und bekennt selbstbewusst, in Schwarz-Blau seine politische Heimat gefunden zu haben. Was verbindet diese Haltungen zweier öffentlich Bediensteter? Beide bestätigen eine Qualität des österreichischen Beamtentums - Loyalität den Regierenden gegenüber. Was die fachliche Arbeit betrifft eine Selbstverständlichkeit, aber seit wann inkludiert Beamtenloyalität auch (partei-)politische Hommage? Zweieinhalb Jahre später: Ein Künstler wird eingeladen, einem Theaterdirektor die Laudatio zu halten. Beide international hoch renommiert, hatten schon oft ihre Fähigkeit bewiesen, Widerstand zu leisten gegenüber Haltungen, die ihnen zuwider sind. Der Laudator wird nun dem Geehrten nicht nur durch eine persönliche Verneigung, sondern auch durch eine politische Satire gerecht. Thomas Bernhard hatte seinerzeit einen Unterrichtsminister durch seine Ansprache anlässlich einer Preisverleihung veranlasst, wütend den Raum zu verlassen. Mehrere Burgschauspieler nutzten Titel-bzw. Preisverleihungen dazu, Polemiken gegen den damaligen Burgdirektor - den nunmehr Geehrten - vorzutragen. Ich selbst hatte in der Funktion des Preis-Überreichers damit umzugehen, dass manchmal Dankesreden zur Kritik an der Regierung verwendet wurden. Oft waren gerade diese Ausschnitte - korrekterweise - am Abend in der ZiB zu sehen. Dies galt mir als Selbstverständlichkeit, weil Österreich ein Klima des offenen Wortes braucht. Jetzt scheinen sich manche zu wünschen, dass alles anders wird. Hätte denn nicht jede journalistisch professionelle TV-Station die nun "empörenden" Passagen der Heller-Rede senden müssen? Manche gefallen sich nun darin, dem vielfältig künstlerisch erfolgreichen Laudator gerade diese Vielfalt vorzuwerfen. Künstlerischer und kommerzieller Erfolg wird immer abstrakt gewünscht, gelingen sie einem Künstler, wirft man ihm vor, nicht als Asket experimentell für einen kleinen Freundeskreis zu arbeiten. Ich werde immer leidenschaftlich für die Arbeit dieser Asketen eintreten. Aber ob ein Künstler viel oder wenig öffentliche Aufmerksamkeit hat, ist weder ein Argument für noch gegen die Kunst - es sei denn, der Kritiker handelt aus Neid. Im konkreten Fall sollten die Empörten bescheidener auftreten, ehe sie durch ihre Beleidigungen des Laudators ihre Lust an Öffentlichkeit befriedigen. Die coolen Kommentatoren, die sich über Aufregungen lustig machen, sollten genauer mit ihrer eigenen Erregtheit umgehen, sonst könnte man glauben, dass sie diese als ihr Privileg betrachten. Diese Aufregungs"keule" ist harmloser als die echte, aber nicht weniger undemokratisch. Absolut lächerlich ist im Übrigen die Kritik an der Moderatorin Andrea Eckert. Sie nutzte am Ende einer bewundernswerten Arbeit den Spielraum zur Improvisation, den Nestroy in nahezu jedem Stück vorgesehen hat - zur Freude des Publikums. Keine Frage: Der Philosophieprofessor und der Operndirektor haben mit ihrer exklusiven Position zumindest Mut bewiesen. Für öffentliche Regierungskritik braucht es aber offenbar noch viel mehr Mut. Hoffentlich nehmen sich viele an André Heller ein Beispiel. Wir wollen doch ein Land mit Rückgrat, oder? (DER STANDARD, Printausgabe, 23.10.2002)