Die Zeit wird knapp. Falls die Staats- und Regierungschefs der EU wie geplant bei ihrem Gipfel im Dezember in Kopenhagen den Beschluss über die Erweiterung um zehn Länder ab 2004 perfekt machen wollen, müssen sie schon bei ihrem Gipfeltreffen, das morgen, Donnerstag, in Brüssel beginnt, die größten Brocken aus dem Weg räumen. Diese drehen sich in erster Linie um Finanzierungsfragen, womit sich die EU vom Rest der Welt nicht wirklich unterscheidet.Dass man schon in Brüssel zu einer Einigung kommt, wird in Diplomatenkreisen als unwahrscheinlich angesehen. Seitens der Kommission will man allerdings alles unternehmen, um doch noch einen Durchbruch zu schaffen. So ist Donnerstag unmittelbar vor Gipfelbeginn noch ein Treffen der Kommissare Michaele Schreyer (Haushalt), Franz Fischler (Landwirtschaft) und Günter Verheugen (Erweiterung) unter dem Vorsitz von Kommissionspräsident Romano Prodi geplant. Die Zusammensetzung der Runde lässt unschwer erkennen, dass es wieder einmal um die Agrarfinanzierung geht. Die Landwirtschaft macht zwar nicht den Hauptbrocken der Erweiterungskosten aus, ist allerdings politisch derzeit am meisten umstritten, weil sie mit der Agrarreform in den alten Ländern de facto junktimiert wurde. Die Finanzierung der Erweiterung wurde bereits beim Europäischen Rat in Berlin 1999 beschlossen. Demnach stehen für die so genannte "Vorbeitrittshilfe" von 2000 bis 2006 rund 21 Mrd. EURO zur Verfügung, für die Beitritte selbst ist von 2004 bis 2006 eine Obergrenze von 42,6 Mrd. EURO vorgesehen, wobei der aktuelle Vorschlag nur 40 Mrd. EURO ausmacht. Davon entfallen 25 Mrd. EURO auf strukturpolitische Maßnahmen, um die wirtschaftlichen und sozialen Disparitäten zwischen den Mitgliedstaaten und den Regionen der EU ausgleichen zu können. Für die Landwirtschaft sind 9,5 Mrd. EURO und 5,5 Mrd. EURO für interne Politikfelder vorgesehen. Obwohl nur ein relativ geringer Teil der Erweiterungskosten auf die Landwirtschaft entfällt, ist dieser Bereich heftig umstritten, weil sich die beiden EU-Kernländer Deutschland und Frankreich nicht einigen können. Die Auseinandersetzung dreht sich um die Direktzahlungen. Frankreich ist derzeit der größte Profiteur der Direktzahlungen und will daher nicht verzichten. Deutschland ist der Hauptzahlmeister und kann angesicht der wirtschaftlichen Lage diese Rolle nicht mehr weiterspielen. Auf der Seite Deutschlands stehen Großbritannien, Schweden und die Niederlande. Berlin schlug zuletzt vor, die Zahlungen dann auf die Beitrittsländer zu erstrecken, wenn diese in den alten EU-Ländern ab 2007 jährlich um zwei Prozent gesenkt werden. Frankreich lehnt das ab. Staatspräsident Jacques Chirac kleidete dies am Dienstag in die diplomatische Formel, dass eine "für alle akzeptable Lösung" gefunden werden müsse. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 23.10.2002)