Wien - Zur Vorbereitung eines möglichen US-Angriffes auf den Irak würden derzeit amerikanische Militärmaschinen laufend über Österreich fliegen und so das Neutralitätsgesetz verletzten. Diesen Vorwurf erhob der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz am Dienstag. Die Maschinen würden falsch deklariert, um eine Überflugsgenehmigung zu bekommen. Davon sei auch das Außenministerium von Benita Ferrero-Waldner (V) informiert. Außerdem sei in ihrem Ressort ein Gutachten ausgearbeitet worden, mit dem US-Überflüge im Kriegsfall auch ohne neue UN-Resolution genehmigt werden könnten. Pilz hat dazu eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates (NSR) beantragt. Von der deutschen Militärbasis Ramstein würden laufend Militärtransportmaschinen Richtung Kuwait, Bahrein und Katar fliegen - und zwar über Österreich, kritisierte Pilz. Die Zahl dieser Flüge habe sich in den letzten Monaten mehr als verdoppelt. Ihr einziger Zweck sei die Vorbereitung eines amerikanischen Angriffes auf den Irak. Um eine Überflugsgenehmigung zu bekommen, würden die Amerikaner aber angeben, Flüge für den Afghanistan-Einsatz durchzuführen. Es handle sich also um "Falschdeklarationen", über die das Außenministerium auch informiert sei. Dort hätte man aber den Auftrag "nicht nachzufragen", so Pilz. Er forderte daher Ferrero-Waldner auf, die Überflüge umgehend zu stoppen. Einen diesbezüglichen Antrag werde er heute im NSR stellen. Die Kritik an Außenministerium und Verteidigungsministerium, die für die Überflugsgenehmigungen zuständig sind, geht allerdings noch weiter. Pilz legte ein Gutachten des Außenressorts vor, das für den Fall eines militärischen Angriffes der USA auf den Irak erstellt worden sei. Dort heißt es, dass auch dann Überflugsgenehmigungen genehmigt werden könnten, "wenn es keine neuen Sicherheitsresolutionen gibt". Im Gutachten wird auf die bereits bestehende Resolution 1368 verwiesen. Diese beziehe sich aber nur allgemein auf die Bedrohung der internationalen Sicherheit durch terroristische Akte, so Pilz. "Das Wort Irak kommt darin gar nicht vor." Er sprach von einem "Falschgutachten", das "rechtlich unhaltbar" sei. Das hätten ihm alle Verfassungs- und Völkerrechtsexperten bestätigt. Außerdem gebe es auch noch ein zweites Gutachten des Verteidigungsministeriums, in dem sehr wohl Bedenken im Falle eines Irak-Krieges geäußert worden seien. Ein solches Gutachten müsse zu "Konsequenzen" bei den Beamten und der Außenministerin führen, meinte Pilz. Im NSR solle Ferrero-Waldner daher klarstellen, welches Gutachten Gültigkeit habe, und warum man den Amerikaner "grünes Licht" für ihre Überflüge gegeben habe. Er rechne auch damit, dass FPÖ und SPÖ seinem Antrag, die Überflüge zu stoppen, zustimmen würden, sagte Pilz. Debattieren will er auch die Reduzierung des österreichischen Afghanistan-Kontingentes und den Eurofighter-Kauf. Außenministerium weist Pilz-Vorwürfe zurück Im Außenministerium weist man die Vorwürfe des Grünen Sicherheitssprechers Peter Pilz, wonach es in den letzten Monaten zu falsch deklarierten Überflügen von US-Militärmaschinen über Österreich gekommen sei, zurück. Alle Überflugsgenehmigungen seien in voller Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen erteilt worden, sagte der Sprecher von Außenministerin Benita-Ferrero-Waldner, Johannes Peterlik, am Dienstag. Das von Pilz kritisierte "Gutachten" bezeichnete er wie der außenpolitische Sprecher der ÖVP, Michael Spindelegger, als "interne Information". Peterlik betonten, dass man keinen Grund habe, an den Deklarationen der Amerikaner zu zweifeln. Alle Überflüge für die Afghanistan-Operation "Enduring Freedom" seien in Übereinstimmung mit den Gesetzen und dem Völkerrecht erteilt worden. Und so lange es keine militärischen Kampfhandlungen gebe, die als Krieg zu qualifizieren wären, gebe es auch keine völkerrechtliche Verpflichtungen, die einer Erteilung von Überflugsgenehmigungen entgegenstehen würden, so Peterlik. Er betonte auch, dass es im Falle eines Irak-Krieges keine Überflüge ohne UN-Mandat geben werde. Ferrero-Waldner hätte immer gesagt, dass eine UN-Resolution, die gerade ausgearbeitet wird, Basis für die Überflüge sein müsse. Wie Spindelegger betonte er, dass es sich bei dem von Pilz vorgelegten Papier nur um eine "interne Information" handle, und um "kein allgemeines Rechtsgutachten". Das Papier sei bereits im März erstellt worden und liste nur "Optionen und Möglichkeiten" auf, habe aber "nichts mit politischen Entscheidungen, die die Außenministerin oder auch die Bundesregierung zu treffen haben, zu tun", so Spindelegger. Das Papier beschäftige sich nur mit "möglichen Szenarien im Falle eines Militärschlages gegen den Irak". Die "Angriffe" gegen Ferrero-Waldner seien "unterstes Niveau" und würden "ganz schlechtem Stil" zeugen. Wie das Verteidigungsministerium am Dienstag indes mitteilte, kam es vergangene Woche wieder zu zwei Routinekontrollen durch die Draken. Zwei US-Kampfflugzeuge und ein russisches Transportflugzeug seien identifiziert worden. Verteidigungsministerium weist Vorwürfe zurück Das Verteidigungsministerium hat Dienstag Abend Vorwürfe zurückgewiesen, wonach amerikanische Militärtransporter falsch deklariert über Österreich fliegen würden, Überflüge zwar offiziell im Rahmen des Afghanistan-Einsatzes stattfänden, tatsächlich aber nach Bahrain, Katar oder Kuwait gingen und sich die Zahl der Überflüge in den Nahen Osten in den vergangenen Monaten mehr als verdoppelt hätten. "Diese Behauptungen entsprechen nicht den Tatsachen", hielt das Verteidigungsressort in einer Aussendung fest. "Wahr ist vielmehr, dass die Zahl der beantragten Überflüge von Militärmaschinen in den vergangenen zehn Monaten faktisch gleich geblieben ist." Durchschnittlich habe das Verteidigungsministerium 4.220 beantragte militärische Überflüge pro Monat verzeichnet. Tatsächlich seien durchschnittlich 1.120 Militärflugzeuge über österreichisches Territorium geflogen. Sogar die Zahl der tatsächlichen Militärflüge im Rahmen des Afghanistan-Einsatzes sei in den vergangenen Monaten zurückgegangen. "Durchquerten noch im Jänner und Februar 2002 jeweils mehr als 130 Militärflugzeuge den österreichischen Luftraum, so waren es in den Monaten August und September 2002 jeweils weniger als 52", so das Verteidigungsministerium. Im Übrigen würden sich Überflüge von Zivil- und Militärmaschinen nur mit einem leistungsfähigen Radar und mit Abfangjägern kontrollieren lassen. (APA)