Wie etwa am Sonntag: Da brach nach dem letzten Akkordknall von Tschaikowskys vierter Symphonie ein (berechtigter) Jubel aus, wie er nach einem Sieg Österreichs über Holland kaum stürmischer hätte ausfallen können. Was es wiegt, das hat es: Valery Gergiev hat die Philharmoniker zweifellos besser trainiert als Hans Krankl seine Mannschaft. Und dieser philharmonische Sieg konnte sich hören lassen. Sieg über wen eigentlich? Über niemanden. Sondern - das Schönste, was man über eine Interpretation sagen kann - ein Sieg für den Komponisten.
Einen Sieg, könnte man sagen, hat Tschaikowsky ja wohl nicht mehr nötig. Und seine Vierte schon gar nicht. Einspruch! Auf solche Weise können ein Komponist und ein Werk nicht oft genug siegen: Diese Vierte wurde hier, wenn schon nicht neu er-, so doch neu gefunden. Was Gergiev da präsentierte, war donnerndes, aber trotzdem kammermusikalisches symphonisches Musiktheater.
Gergiev filetiert das Werk in unzählige kleine Dramolette - bald zwischen Fagott und Klarinette, bald zwischen Blech und Streichern, bald zwischen Trompete und allen Übrigen, und bringt dennoch das Wunder zustande, dass alles in einem großen, emotionalen Zusammenhang steht.
Der Vorzug dieser Technik besteht in der (ganz und gar nicht analytischen und besserwisserischen) Freilegung von Details, durch die die Zusammengehörigkeit der einzelnen Elemente nicht verstört, sondern eher noch verdichtet wird. Zur völligen Verblüffung gelingt ihm dies, emsig in der Partitur blätternd und mit der Gebärdensprache eines in autistischer Verzückung vor einem Schulorchester stehenden Musikprofessors. Was tut's? Die Philharmoniker verstehen sie.