Brüssel - Mit der Zustimmung der irischen Bevölkerung ist das letzte Hindernis für das Inkrafttreten für den Vertrag von Nizza beseitigt. Das im Februar 2001 unterzeichnete Abkommen soll die EU für die Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten bereit machen. Nach den Plänen der Kommission sollen 2004 zehn neue Staaten (Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern) der EU beitreten. Ein Beitritt der Kandidatenländer Bulgarien und Rumänien ab 2007 wird für möglich erachtet. Im Folgenden die wichtigsten Punkte des Vertrags von Nizza:
  1. ENTSCHEIDUNGSPROZESSE IM RAT

    Der Vertrag von Nizza schafft das Prinzip der Einstimmigkeit - und damit das nationale Veto - nicht ab, bringt aber eine Ausweitung der Bereiche, in denen künftig mit qualifizierter Mehrheit entschieden wird. Dazu gehören etwa die Kohäsionsfonds, wo ab 1.1.2007 zur Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit übergegangen wird; der Bereich Einwanderung, Visum, Asyl, wo zeitlich gestaffelt bei den meisten Fragen zur qualifizierten Mehrheit übergegangen wird; sowie Teile der Steuer-, Handels- und Sozialpolitik.

  2. EU-KOMMISSION

    Die heutige Kommission hat 20 Mitglieder, wobei die fünf großen Mitglieder Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien jeweils zwei Kommissare stellen, alle anderen Staaten je einen. Mit dem Vertrag von Nizza verzichten die Großen auf ihren zweiten Kommissar, um sicherzustellen, dass ab 2005 jeder Staat einen Kommissar stellt. Nach der Erweiterung auf 27 Staaten wird die Zahl der Kommissare auf eine bisher nicht festgelegte Anzahl reduziert und eine paritätische Rotation eingeführt.

    Die Stellung des Kommissionspräsidenten wurde gestärkt. Er kann mit Zustimmung der anderen Kommissare ein Mitglied der Kommission zum Rücktritt zwingen. Der Kommissionspräsident soll nach dem Vertrag von Nizza vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit ernannt werden, statt wie bisher einstimmig.

  3. AUSSEN- UND SICHERHEITSPOLITIK

    In diesem Bereich wird künftig die Möglichkeit einer "verstärkten Zusammenarbeit" einzelner Mitgliedsstaaten bestehen. Sie können damit eine gemeinsame Maßnahme oder einen gemeinsamen Standpunkt durchführen, ohne von dem bisher in diesem Bereich bestehenden Vetorecht der einzelnen Staaten behindert zu werden. Mindestens acht Staaten müssen sich zusammentun, um eine "verstärkte Zusammenarbeit" zu begründen, jene Staaten, die sich nicht beteiligen wollen, müssen dies auch nicht. Die Regelung gilt nicht für den militärischen Bereich.

  4. STIMMGEWICHTUNG IM RAT

    Ab 1. Jänner 2005 wird die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit geändert, indem die Stimmgewichtung der Staaten neu verteilt wird. Ist heute eine qualifizierte Mehrheit mit mindestens 62 von 87 Stimmen gegeben, so wird diese in einer EU mit 27 Mitgliedern 225 der insgesamt 345 Stimmen betragen. Den neuen Mitgliedern werden ihre Stimmen im Rat entsprechend ihrer Bevölkerungsgröße zugeteilt. So erhält Polen, mit 38 Millionen Einwohnern künftig der sechstgrößte Mitgliedsstaat der EU, 27 Stimmen. Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien haben jeweils 29, Spanien 27 Stimmen. Österreich bekommt zwölf Stimmen, genauso viele wie Ungarn und Tschechien. Für eine Entscheidung im Rat soll künftig außerdem eine Staatenmehrheit erforderlich sein, d.h. mindestens 62 Prozent der EU-Bevölkerung müssen zustimmen.

  5. EUROPAPARLAMENT

    Die Zahl der Abgeordneten wird von 626 auf 732 vergrößert. Diese Zahl darf nicht mehr überschritten werden. Die neuen Mitglieder bekommen im Vertrag von Nizza ihre Zahl der Abgeordneten zugewiesen, ausdrücklich wird aber vermerkt, dass die letzte Entscheidung darüber in den Beitrittsverhandlungen fallen wird. Die meisten Abgeordneten wird wie bisher Deutschland mit 99 Stellen. Österreich fällt von 21 auf 17. Die Bedeutung des Parlaments wird durch eine Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens, bei dem Beschlüsse gemeinsam von Rat und Parlament gefasst werden, gestärkt. Dazu gehören einzelne Artikel zu Rechts-, Wirtschafts- und Asyl- und Einwanderungsbestimmungen.

  6. ZUKUNFT

    Mit der künftigen Ausgestaltung der Europäischen Union befasst sich der Konvent, der bis Ende 2003 einen Entwurf vorlegen wird. Im Jahr 2004 wird neuerlich eine Regierungskonferenz einberufen, um noch zur Diskussion stehende Fragen zu klären.

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EU-Stimmgewichtung und Abgeordnetenzahl nach dem Vertrag von Nizza Die Zahl der Europaabgeordneten wird von bisher 626 auf 732 erhöht, und die nationalen Kontingente werden neu bestimmt. Im Folgenden eine Darstellung der Veränderungen in Zahlen:
  1. STIMMGEWICHTUNG IM RAT

    Bisher:

    Deutschland 10
    Frankreich 10
    Italien 10
    Großbritannien 10
    Spanien 8
    Belgien 5
    Niederlande 5
    Portugal 5
    Griechenland 5
    Österreich 4
    Schweden 4
    Dänemark 3
    Finnland 3
    Irland 3
    Luxemburg 2
    INSGESAMT 87

    künftig:

    Deutschland 29
    Großbritannien 29
    Frankreich 29
    Italien 29
    Spanien 27
    Polen 27
    Rumänien 14
    Niederlande 13
    Griechenland 12
    Tschechische Republik 12
    Belgien 12
    Ungarn 12
    Portugal 12
    Schweden 10
    Bulgarien 10
    Österreich 10
    Slowakei 7
    Dänemark 7
    Finnland 7
    Irland 7
    Litauen 7
    Lettland 4
    Slowenien 4
    Estland 4
    Zypern 4
    Luxemburg 4
    Malta 3
    INSGESAMT 345

  2. ZAHL DER ABGEORDNETEN IM EUROPAPARLAMENT

    Bisher:

    Deutschland 99
    Frankreich 87
    Großbritannien 87
    Italien 87
    Spanien 64
    Niederlande 31
    Belgien 25
    Griechenland 25
    Portugal 25
    Schweden 22
    Österreich 21
    Dänemark 16
    Finnland 16
    Irland 15
    Luxemburg 6
    INSGESAMT 626

    Künftig:

    Deutschland 99
    Großbritannien 72
    Frankreich 72
    Italien 72
    Spanien 50
    Polen 50
    Rumänien 33
    Niederlande 25
    Griechenland 22
    Portugal 22
    Belgien 22
    Tschechische Republik 20
    Ungarn 20
    Schweden 18
    Bulgarien 17
    Österreich 17
    Slowakei 13
    Dänemark 13
    Finnland 13
    Irland 12
    Litauen 12
    Lettland 8
    Slowenien 7
    Estland 6
    Zypern 6
    Luxemburg 6
    Malta 5
    INSGESAMT 732

(APA)