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Hinter dem vergitterten Fenster im Gebäude des Landesverbandes der nordrhein-westfälischen FDP in Düsseldorf hängt am Samstag ein Plakat mit dem Porträt des Vorsitzenden Jürgen Möllemann. Der Landesvorstand tritt am Montagabend zu einer Sondersitzung in Düsseldorf zusammen, um den Vorwurf zu klären, Möllemann habe mit einem 850 000 Euro schweren Wahlkampfkonto gegen das Parteiengesetz verstoßen. Auch die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft prüft ein Ermittlungsverfahren gegen Möllemann.

apa/dpa/lnw
Berlin - Aufstieg und Fall folgten in der Karriere von Nordrhein-Westfalens umstrittenem FDP-Chef Jürgen Möllemann stets dicht aufeinander. Der Fallschirmspringer und frühere Amateurboxer holte sich bei innerparteilichen Kämpfen oft ein blutige Nase, ging aber nie endgültig k.o. Nach den jüngsten Vorwürfen gegen den 57-Jährigen entscheidet der FDP-Landesvorstand am Montagabend auf einer Sondersitzung in Düsseldorf über die politische Zukunft Möllemanns. Parteichef Guido Westerwelle hat den Druck auf Möllemann weiter erhöht. Nach der Veröffentlichung von Bildern in der "Bild am Sonntag", die den herzkranken Möllemann nach Angaben der Redaktion auf Gran Canaria zeigen, forderte Westerwelle in der "Bild"-Zeitung eine umgehende Erklärung seines Rivalen. Möllemann hat nach Darstellung des FDP-Bundesvorstands sein umstrittenes Wahlflugblatt mit Kritik an Israel und dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, mit Hilfe anonymer Spenden finanziert und damit gegen das Parteiengesetz. Westerwelle und die Führung der Landes-FDP fordert vom Chef der NRW-Liberalen die Namen der Spender. "Hinhaltetaktik nimmt Ende" "Nach diesen Fotos und diesem Bericht hat die Hinhaltetaktik von Jürgen Möllemann ein Ende. Herr Möllemann kann sich auch auf Gran Canaria seiner Verantwortung nicht entziehen", sagte Westerwelle der "Bild"-Zeitung nach einer Vorabmeldung von Sonntag. Wenn Möllemann die Namen der Spender nicht bis zur Sitzung des NRW-Landesvorstands am Montagabend nicht genannt habe, "wird die FDP die politischen und die rechtlichen Konsequenzen ziehe - gleich ob er anwesend ist oder abwesend ist". Möllemann, der wegen einer Herzerkrankung zeitweilig im Krankenhaus war, hat angekündigt, er werde sich erst nach seiner vollständigen Genesung Ende November äußern. Unabhängige Wirtschaftsprüfer haben nach Angaben des FDP-Bundesverbands ermittelt, auf einem von Möllemann eingerichteten Sonderkonto seien für die Flugblatt-Aktion im Bundestagswahlkampf Spenden im Gesamtwert von rund 840.000 Euro eingegangen. Dabei handele es sich um 145 Einzelspenden in Höhe von je 1000 bis 8.000 Euro, die alle bar und größtenteils anonym auf Verrechnungskonten bei 14 Banken eingezahlt wurden. Nach dem Parteiengesetz dürfen Zuwendungen nur bis 500 Euro anonym gespendet werden. Darüber hinaus müssen sie an den Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) weiter geleitet werden. Thierse lässt den Fall ebenso untersuchen wie die Staatsanwaltschaft Düsseldorf, die ein Ermittlungsverfahren gegen Möllemann prüft. Dokumentation der Niederlagen
  • 1993: Wegen der so genannten Briefbogen-Affäre verliert Möllemann sein Amt als Wirtschaftsminister im damaligen Kabinett aus Union und FDP. Er hatte sich auf amtlichem Papier bei deutschen Handelsketten für den Einkaufswagen-Chip eines Verwandten eingesetzt.

  • 1994: Nach der Bundestagswahl kommt Möllemann nicht mehr ins schwarz-gelbe Bundeskabinett. Im selben Jahr zwingt ihn der FDP-Vorstand in Nordrhein-Westfalen, den Vorsitz abzugeben. Dennoch kandidiert er auf einem Landesparteitag erneut und verliert.

  • 1995: Der Comeback-Versuch Möllemanns in der Bundes-FDP bleibt erfolglos. Bei der Wahl zum Parteivorsitz scheitert der Münsteraner an Wolfgang Gerhardt, als dessen schärfster Kritiker Möllemann gilt.

  • 1996: Möllemann bewirbt sich erneut um den Landesvorsitz in Nordrhein-Westfalen, diesmal mit Erfolg.

  • 2000: Bei der Landtagswahl in NRW führt Möllemann die FDP mit 9,8 Prozent der Stimmen ins Landesparlament zurück, aus dem sie 1995 ausgeschieden war. Mit dem unerwarteten Wahlerfolg im Rücken setzt Möllemann in der Folgezeit die 18-Prozent-Kampagne der Bundes-FDP für die Bundestagswahl 2002 durch.

  • April 2002: Fünf Monate vor der Bundestagswahl wechselt der abtrünnige Grünen-Landtagsabgeordnete Jamal Karsli mit Unterstützung Möllemanns zur FDP. Auf massiven Druck der Bundes-Partei muss sich der wegen israelfeindlicher Äußerungen umstrittene Karsli jedoch wieder aus Partei und Landtagsfraktion zurückziehen. Im darauffolgenden Antisemitismus-Streit zwischen Möllemann und dem Zentralrat der Juden wird dem FDP-Landeschef auch aus den eigenen Reihen vorgeworfen, im rechten Spektrum auf Stimmenfang zu gehen.

  • September 2002: Als Möllemann wenige Tage vor der Wahl den Streit mit dem Zentralrat durch ein mit der Partei nicht abgesprochenes Faltblatt erneut anheizt, ist die Geduld der Bundespartei zu Ende. Noch am Wahlabend fordert das FDP-Präsidium Möllemann zum Rücktritt als Vizevorsitzender auf. Tags darauf gibt der in der Bundespartei weitgehend isolierte Möllemann das Amt auf. Auch der Landesvorsitz wird ihm streitig gemacht: Der Vize-Landeschef Andreas Pinkwart kündigt seinen Anspruch auf das Amt an. Eine Entscheidung soll auf einem außerordentlichen Landesparteitag im niederrheinischen Wesel fallen.

  • Oktober 2002: Unmittelbar vor dem für den 7. Oktober angekündigten Sonderparteitag wird Möllemann mit Herz-Rhythmus-Störungen ins Krankenhaus eingeliefert. Der Parteitag wird abgesagt, soll aber nach der Genesung Möllemanns nachgeholt werden. Dann tauchen neue Vorwürfe auf: Möllemann soll 840.000 Euro auf einem Wahlkampf-Sonderkonto gebunkert haben. FDP-Bundesschatzmeister Günter Rexrodt wirft ihm vor, mit den illegalen Spenden sein umstrittenes Flugblatt finanziert zu haben. Parteichef Guido Westerwelle fordert seinen ehemaligen Vize auf, bis Montagabend die Namen der Spender zu nennen. (APA/AFP)