EU
Deutsche für mehr Flexbilität bei Stabilitätspakt
Aber Konservative warnen vor Aufweichen der Stabilitätskriterien
Berlin - In der Kontroverse über den Stabilitätspakt
haben führende Vertreter der Bundesregierung mehr Flexibilität bei
der Neuverschuldung gefordert. Finanzminister Hans Eichel (SPD) sagte
am Samstag in Wiesbaden, es müssten konjunkturelle Anpassungen bei
den Verschuldungskriterien möglich sein. Ähnlich äußerte sich auch
Außenminister Joschka Fischer (Grüne). Dagegen warnten der deutsche
Bundesbankpräsident Ernst Welteke und CSU-Chef Edmund Stoiber vor
einem Aufweichen der Stabilitätskriterien. Das Finanzministerium hatte mitgeteilt, Deutschland werde in
diesem Jahr die Defizitobergrenze von drei Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) überschreiten. Das Ministerium
widersprach am Samstag aber einem "Spiegel"-Bericht, der Fehlbetrag
werde auf bis zu 3,5 Prozent steigen. Eichel bekannte sich auf einem
Landesparteitag der hessischen SPD und in der "Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung" zum Grundgedanken des Stabilitätspakts.
Entscheidend sei für ihn aber nicht das Paragrafenwerk. "Natürlich
muss man es konjunkturell einpassen", sagte Eichel in Wiesbaden. In
der Zeitung ergänzte er: "Der Stabilitätspakt ist kein
mechanistisches Kunstprodukt." Eichel bekräftigte das Ziel, 2006
einen ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden vorzulegen. Der Weg
dahin müsse aber je nach Situation immer wieder angepasst werden. Zu
den Äußerungen von EU-Kommissionspräsident Romano Prodi, der den Pakt
als dumm bezeichnet hatte, sagte Eichel: "Der Satz ist gefährlich,
weil er missverstanden werden könnte."
Fischer Balance finden
Auch Außenminister Fischer forderte mehr Flexibilität bei der
Obergrenze des Defizits. "Wenn die Konjunktur schlecht ist, müssen
wir uns höher verschulden können; wenn sie gut ist, werden wir das
entsprechend ausgleichen", sagte Fischer dem "Spiegel". Wer in einem
Jahr ein Minus von vier Prozent mache, balanciere das im nächsten
Jahr mit zwei Prozent aus.
Dagegen warnte Bundesbank-Präsident Welteke, der auch Mitglied im
Zentralbankrat der Europäischen Zentralbank ist, vor einem Aufweichen
der Stabilitätskriterien. "Den Pakt in Frage zu stellen ist sehr
gefährlich, weil es das Vertrauen in den Euro untergräbt", schrieb
Welteke in einem Gastbeitrag für die Zeitung "Bild am Sonntag".
Auch CSU-Chef Stoiber warnte die Bundesregierung vor einem
Aufweichen der Kriterien: "Wer jetzt die Stabilitätskriterien
aufweicht, der zieht die Zusage zurück, dass der Euro so hart sein
wird wie die D-Mark." Stoiber kritisierte zudem die Finanzpolitik der
Bundesregierung. "Der Sparkurs ist komplett gescheitert", sagte er. (APA/Reuters)