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Wer ein Bett hat, kann sich glücklich schätzen. In den Unterkünftern, welche die Flüchtlingsoganisationen für die Asylwerber bereitstellen, wird es eng. Immer mehr Menschen landen auf der Straße

Foto: APA/Roland Schlager
Wien - Am Donnerstag kündigte das Netzwerk Asylanwalt der Caritas Österreich und des UNHCR Verfassungsklage gegen die umstrittene Asylwerberrichtlinie von Innenminister Ernst Strasser an. Am Freitag teilte die Wiener Rechtsanwältin Nadja Lorenz dem STANDARD mit, dass sie zivilrechtlich gegen die Entlassung von Asylwerbern aus der Bundesbetreuung angehen werde. "In den kommenden Tagen" werde sie im Namen eines Klienten, der als Asylwerber samt Frau und Kindern am 1. November auf die Straße gesetzt werden soll, bei einem Bezirksgericht eine Einstweilige Verfügung beantragen. Mit der Begründung, dass der Bund einen aufrechten Vertrag rechtswidrig gelöst habe. Dessen Inhalt sei im Bundesbetreuungsgesetz niedergeschrieben: Asylwerbern seien Unterkunft und Versorgung zu gewähren. Lorenz: "Den Vertrag kann man nicht aus beliebigen Gründen, sondern nur am Ende des Asylverfahrens lösen." Sollte die Einstweilige Verfügung erlassen, der Asylwerber in Bundesbetreuung zurückgenommen werden, sei dies - so Lorenz - "auch für alle anderen Fälle obdachlos gemachter Asylwerber anzunehmen". Auch die Hilfsorganisationen überlegen weitere rechtliche Schritte gegen Strasser. Minister in Defensive Dieser verteidigt seine Vorgangsweise gegen die immer heftigere Kritik der Opposition. Strasser meinte, es tue ihm Leid, dass die Rückkehrberatung von Asylanten nicht mit österreichischen Partnern geschehe, sondern an eine deutsche Privatfirma vergeben werden musste. Er selbst hätte ein halbes Dutzend vergeblicher Gespräche mit heimischen Flüchtlingsorganisationen geführt. Darum gehe es erst in zweiter Linie, hielten SPÖ und Grüne dagegen. SP-Klubobmann Josef Cap schlug die Einführung eines Drei-Phasen-Plans vor. Demnach könnten innerhalb von vier Wochen rund 80 Prozent der Fälle abgeschlossen werden. In dieser Phase sei zu klären, ob ein Verfahren grundsätzlich Aussicht auf Erfolg habe. Für chancenreichere Asylkandidaten soll dann für ein Jahr die Unterbringung in Flüchtlingsheimen, Privatquartieren oder Pensionen erfolgen. Ist nach zwölf Monaten das Verfahren noch immer nicht erledigt, soll es die Möglichkeit einer Arbeitsbewilligung geben. Außerdem verstoße Strassers Vergabe gegen die Ausschreibungsrichtlinien, argumentierten die Grünen. Die ÖVP wies die Attacken zurück. Österreich dürfe nicht zur "Anlaufstelle Nummer eins" für Wirtschaftsflüchtlinge werden, sagte Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat. Der Vorarlberger ÖVP-Landeshauptmann Herbert Sausgruber bezeichnete die Kritik an Strasser als "sehr überzogen". Solange keine Rückführung der Flüchtlinge praktiziert werde, könnte dies als "Signal der Aufnahmebereitschaft für Wirtschaftsflüchtlinge" interpretiert werden. Dem Zuwanderungsdruck aus diesem Segment müsse standgehalten werden. Dabei solle sich Österreich an den anderen europäischen Staaten orientieren, die zum Teil wesentlich strengere Regulative eingerichtet. Sausgruber im Gespräch mit dem STANDARD: "Es ist ärgerlich, dass andere europäische Länder, die restriktiver gegen Flüchtlinge vorgehen, nicht kritisiert werden, wohl aber Österreich." (bri, kob, mue/DER STANDARD, Printausgabe, 19/20.10.2002)