Mit Nirvana etablierte er Anfang der 90er-Jahre den Underground in den Hitparaden. Nach dem Selbstmord von Kurt Cobain startete Schlagzeuger Dave Grohl mit den Foo Fighters 1995 eine gemütliche zweite Karriere als Frontmann. Am Montag erscheint das neue Album "One By One". Ein Interview über das Weitermachen. Spätestens seit Dave Grohl heuer bei den hoch gehandelten US-Heavy-Rockern Queens of the Stone Age für deren hymnisch gelobtes Album Songs For The Deaf nach achtjähriger Pause aus alter Freundschaft kurzfristig wieder an sein ureigenstes Instrument wechselte, ist eines klar: Dave Grohl muss neben John Bonham von Led Zeppelin, Charlie Watts von den Stones oder Bill Ward von Black Sabbath zu den zwar nicht stilprägendsten, auf jeden Fall aber wiedererkennbarsten Schlagzeugern des Rock gezählt werden.

Dabei verzichtet der heute 33-jährige Mann aus Washington DC wie alle Großen nicht nur auf unnötigen Firlefanz wie einen übermäßigen Einsatz von zischelnden Becken. Bei Dave Grohl geht es mit voller Kraft geradeaus: Mit Trommeln macht man keine Kunst, mit Trommeln macht man Radau!

Die Schule der harten Schläge. Einflüsse von zen-tralen US-Punkbands wie den Bad Brains und Black Flag bis zu obligatorischen Heavy-Metal-Acts wie Led Zeppelin, Kiss, Motörhead und natürlich Black Sabbath, konnte Grohl in den 80er-Jahren mit seiner ersten Band, den heute semi-legendären Scream, zu einer frühen Meisterschaft im Themenpark Hau-drauf-und-Schluss führen.

Ab 1990 übernahm Grohl dann den Schlagzeugposten bei Kurt Cobains Seattle-Trio Nirvana. Er verinnerlichte dort über das epochale Album Nevermind, mit dem der Underground-Rock über Nacht auch über die Charts als neuer Mainstream etabliert werden sollte, bis zum Schwanengesang von In Utero ein musikalisches Credo, das bis heute gleich geblieben ist.

Warme Ohren

Zwar gründete Grohl nach dem Selbstmord von Cobain im April 1994 bald seine eigene Band Foo Fighters und wechselte vom Schlagzeug ans Gesangsmikrofon und würgt seither auch lieber eine Gitarre. Dem jungen Nu-Metal-Menschen, all den Papa Roaches, Limp Bizkits und wie die neueste Tattoo- und Nippelpiercing-Mode gerade heißen mag, sei aber eines ins Stammbuch geschrieben:

"Hart zu spielen ist babyleicht. Ich kann dir mit meiner Band jederzeit an einem einzigen Tag ein ganzes Album mit dieser Nu-Metal-Kacke vollspielen. Von wegen: Wir sind die brutalste Band der Weltgeschichte. Von dieser Musik wird aber nach einigen Jahren nicht sehr viel übrig bleiben, außer einem Satz warme Ohren und die Erinnerung daran, dass deine Freundin die Platte wegen all dem Macho-Unsinn nicht ganz zu Unrecht gehasst hat. Ich meine, ich liebe Bands wie Motörhead. aber wie viele Frauen findest du bei denen im Publikum? Eben."

"Was wir damals bei Nirvana versuchten, war, die Härte mit einem soliden melodischen Gefüge abzufedern. Keine Härte ohne Leichtigkeit als Gegenpol. Was ist schon ein Song wert, den du nicht allein auf der Gitarre spielen kannst? Nichts."

"Im Wesentlichen versuchten wir damals, die Beatles mit Punk und Hardrock zu verbinden. Außerdem glaube ich, dass ich letztlich ein romantisches Weichei bin. Mit den Foo Fighters im Studio haben wir immer gute Vorsätze: Jetzt werden wir richtig gemein, es muss abstoßend und brutal klingen! Einige Tage später stehe ich am Mikrofon und nehme vierstimmige Harmoniegesänge auf."

Zwar ist Dave Grohl als Frontmann der Foo Fighters alles andere als ein begnadeter Charismatiker, und auch seine dünne und verwechselbare Stimme hält nicht unbedingt heutigen Mindestansprüchen stand. Mit dem kommenden Montag erscheinenden vierten Album, One By One, und dem voraussichtlichen Hit All My Life, einem wuchtigen Rockstampfer mit einem weiten, getragenen Melodiebogen im Refrainteil, dürfte allerdings nach Foo-Fighters-Arbeiten wie dem namenlosen und von Grohl im Alleingang eingespielten Debüt aus 1995, The Colour And The Shape aus '97 und zuletzt 1999 There Is Nothing Left To Loose wieder ein wegen seiner fröhlich vorwärts treibenden Songs erfolgreicher Partyrock-Klassiker geglückt sein.

Grohl: "Anders als Nirvana werden die Foo Fighters nicht in die Musikgeschichte eingehen. Das hier ist nicht die begnadetste Band der Welt. An einem guten Abend können wir live allerdings deinen kleinen Hintern ganz schön zum Wackeln bringen."

"Nach all den traumatischen Erfahrungen mit meiner vorigen Band habe ich beschlossen, alles langsam und gelassen anzugehen, vor allem auch ausschließlich zu meinen Bedingungen. Ich produziere mich selbst, führe bei den Videos Regie und gehe nur auf Tournee oder mache Platten, wenn ich dazu Lust habe - und nicht irgendein Anwalt von der Plattenfirma. Ich möchte nämlich noch eine Weile am Leben bleiben."

Dave Grohl hätte am Schlagzeug in aller Ruhe ein Elder Statesman des Rock werden können, so wie Charlie Watts. Jetzt als Frontmann ist er vor dem Mick-Jagger-Syndrom nicht ganz gefeit: "So lange mein Drummer nicht nachts so wie Charlie Watts einmal bei Jagger ins Hotelzimmer kommt und ihm eine reinhaut, weil er so ein blöder Hund ist, geht das voll okay mit mir." (Christian Schachinger/DER STANDARD, Printausgabe, 19.10.2002)