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Klaus Liebscher: Diplomatisch, aber mit scharfem Unterton

foto: apa/schneider
Wien - Diplomatisch, aber mit scharfem Unterton beurteilte am Freitag der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB), Klaus Liebscher, die Äußerung des EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi, der den Stabilitätspakt ob seiner Starrheit gegenüber "Le Monde" als "dumm" bezeichnet hatte. Er, Liebscher, wolle diese Äußerung nicht wirklich kommentieren, habe sie nicht selbst gehört, sondern nur gelesen - und "ich erwarte, dass er (Prodi, Anm.) falsch interpretiert wurde". Liebscher stellte bei einem Vortrag bei der "Gewinn"-Messe in Wien fest, dass das Regelwerk nicht interpretiert werden sollte. Zu laufenden bzw. drohenden Verfahren gegen einige Länder der Eurozone wegen Überschreitung der Defizitgrenze hielt Liebscher wörtlich fest: "Wenn ein Land, ob groß oder klein, die Regeln des Stabilitätspakts verletzt, ist das zu pönalisieren." "Frage der Währungsglaubwürdigkeit" Anders als deutsche Volkswirte, die den absehbaren Verstoß Deutschlands gegen die europäische Defizitobergrenze von 3 Prozent noch nicht als dramatisch für den Euro werten, sieht der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und EZB-Rat Klaus Liebscher die Lage. "Wenn große Länder dieses Problem haben, ist das eine Frage der Glaubwürdigkeit des Euro, es kann überschwappen auf kleine", berge die Gefahr eines Vertrauensverlustes, ansteigender Zinsen und damit teurerer Investitionen, warnte Liebscher am Freitag in einem Vortrag auf der "Gewinn"-Messe. Liebscher warnte ausdrücklich davor, am europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt herumzudeuten und am Regelwerk zu interpretieren. Er erwarte sich deshalb, dass EU-Kommissionspräsident Romano Prodi "falsch interpretiert wurde". Zu laufenden bzw. drohenden Verfahren gegen einige Länder der Eurozone wegen Überschreitung der Defizitgrenze hielt Liebscher wörtlich fest: "Wenn ein Land, ob groß oder klein, die Regeln des Stabilitätspakts verletzt, ist das zu pönalisieren." Schon im Vorfeld des Abschlusses des Stabilitätspakts sei klar gewesen, "wir brauchen eine Disziplin für Finanzminister, für die Budgetpolitik", so Liebscher. "Wir brauchen eine solide, seriöse Fiskalpolitik", denn nur wenn keine exzessiven Schulden gemacht würden, helfe dies der Geldpolitik, das Stabilitätsklima zu erhalten. "Das ist die beste Basis für ein inflationsfreies Wachstum". Daran hätten sich am Anfang auch alle gehalten. In der Folge hätten es aber viele Länder verabsäumt, sich in der Periode boomender Wirtschaft die Haushaltskonsolidierung voranzutreiben. "Einige lehnten sich zurück, nahmen an, dass läuft ohnehin alles von selbst, das brauchen wir nicht", kritisierte Liebscher. Lob für Österreich Österreich sei hier eine "gute Ausnahme" gewesen. Dieses Land hätte den Weg des Einbremsens der Neuverschuldung beschritten. "Vielleicht ist nicht alles so aufgegangen, aber der Weg ist richtig", so der OeNB-Gouverneur. Trotz eines in der schwächeren Konjunktur wieder höheren Defizits verletze Österreich den Stabilitätspakt überhaupt nicht. Jenen Staaten, die nun an der 3-Prozent-Defizitschwelle anstoßen oder darüber lägen, wirft Liebscher Lahmheit vor. Er warnt allerdings davor, in der Eurozone vor einer "kämpferischen Gegenüberstellung" von großen und kleinen Mitgliedstaaten. Das wäre "das Letzte, was Europa braucht". Zu zuletzt massierten Forderungen zahlreicher europäischer Politiker an die Europäische Zentralbank, zur Wirtschaftsankurbelung die Leitzinsen weiter zu senken, warnte der EZB-Rat davor, alle Heilmittel für die Konjunktur aus der Geldpolitik zu erwarten. Vielmehr seien die Regierungen selbst gefordert, über Strukturreformen Impulse für die Wirtschaft zu geben. In der Eurozone gebe es auch nur einen einzigen Zinssatz, "da kann ich nicht auf nationale Gegebenheiten Rücksicht nehmen". "Die Geldpolitik ist kein Ersatz für Konjunkturpolitik", betonte Liebscher. Die EZB unterstütze diese ohnehin durch das jetzt niedrige Zinsniveau. "Keine Investitionen" würden "nicht wegen des Zinsniveaus" gemacht, sondern wegen der gebremsten generellen Erwartungsaussicht. Er sei selbst überrascht gewesen, dass die Wachstumserwartungen für 2002 so deutlich zurückgenommen werden mussten. Im Frühjahr sei man noch optimistischer gewesen. "Wir sind in keinem tatsächlichen Abschwung, es ist nur eine Verlangsamung, es verzögert sich manches." Für die Konjunktur in Österreich und Euroland gibt es in seinen Augen aber keinen Grund für Pessimismus. Für 2003 sei er "vorsichtig optimistisch".(APA)